Walküre
zuschlug. Eine Warnung. Perfekt geplant und durchgeführt.
»Wo waren Sie, als die Bombe explodierte?«, fragte er den Russen.
»Hier ... an diesem Tisch. Nach Lage der Dinge hielten wir es für ratsam, nicht am Fenster zu sitzen.«
»Wir?«
»Frau Schilmann. Eine ehemalige Kollegin von Ihnen. Sie hat die hiesigen Sicherheitsvorkehrungen für mich getroffen. Zum großen Ärger meiner eigenen Leibwächter.«
»Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, wenn wir uns jetzt einschalten. Bis zu Ihrer Abreise stehen Sie unter dem Schutz der Polizei Hamburg.« Er runzelte die Stirn. »Frau Schilmann hat Ihnen vorgeschlagen, sich an diesen Tisch zu setzen?«
»Ja.«
»Aber Sie ging nach draußen?«
»Ja. Sie hat den falschen Moment für eine Zigarettenpause gewählt.«
»Okay«, sagte Fabel mit einem Lächeln. »Wir sollten Sie jetzt an einen sicheren Ort bringen.«
3.
»Dies ist ein Rennen gegen die Zeit.« Fabel stand vor der heruntergelassenen Leinwand im vorderen Teil des Besprechungsraums. Die vierzig bis fünfzig versammelten Beamten wirkten schemenhaft im Licht des Projektors. »Wir haben einen der Morde so lange wie möglich geheim gehalten. Drescher – oder Gerdes, wie er sich nannte – führte ein recht zurückgezogenes Leben. Aber er hatte Nachbarn, kannte Frauen und ging wahrscheinlich mit Leuten um, die wir noch nicht ausfindig gemacht haben. Zurzeit wird er vermisst, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sein Tod allgemein bekannt wird.«
Fabel drückte auf die Fernbedienung. Auf der Leinwand erschien das Krankenhausfoto von Margarethe Paulus.
»Das ist Dreschers Mörderin: Margarethe Paulus. Dr. Eckhardt meint, dass sie vermutlich sowohl psychotisch als auch psychopathisch ist. Sie hat Wahnideen, aber ihre wildeste Geschichte entspricht der Wahrheit. Sie ist eine Walküre, eine der drei perfekt ausgebildeten und äußerst disziplinierten Berufsmörderinnen. Die beiden anderen Walküren heißen Liane Kayser und Anke Wollner. Allerdings wissen wir nicht, ob sie ihren wahren Namen in den letzten Jahren überhaupt noch benutzt haben. Eine von ihnen, Liane Kayser, könnte genauso zurückgewiesen worden sein wie Margarethe, oder sie hat unter einer falschen Identität ihre eigene Laufbahn eingeschlagen. Damit bleibt Anke Wollner, die am ehesten die Walküre sein könnte. Aber wie gesagt, das alles ist reine Theorie. Diese Namen nützen uns nichts, weil alle dem Stasi-Apparat zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt wurden, sie unter neuen Identitäten im Verborgenen leben zu lassen.« Fabel klickte erneut, und ein anderes Gesicht füllte die Leinwand.
»Das ist Gennadi Frolow. Der andere Grund dafür, dass wir unter Druck stehen. Er hat seine letzte Warnung von der Walküre erhalten ... in Form der Bombe unten am Hafen. Nun läuft seine Zeit ab. Die Walküre trifft nie daneben.«
»Mit der Bombe schon«, rief jemand aus einer der hinteren Reihen.
»Nein, das stimmt nicht. Es war tatsächlich nur eine Warnung.«
Ein weiteres Klicken.
»Dies sind die Kontaktanzeigen, die in der aktuellen Muliebritas-Ausgabe. abgedruckt sind. Wir haben – oder eigentlich war es Kommissarin Wolffs Freundin – die Codierung aller früheren Inserate nachgeahmt, darunter den Drei-Buchstaben-Code, der eine Anzeige als Nachrichtenträger kennzeichnet. Dadurch wird der Walküre mitgeteilt, dass Drescher sich am Alsterpark neben dem Fährdamm mit ihr treffen will. 11.30 Uhr, Mittwoch. Wenn die Walküre die Botschaft gelesen hat und wirklich glaubt, dass sie von Drescher stammt, dann sind wir morgen im Geschäft.«
Noch ein Klicken.
»Das ist der Alsterpark. Wir werden auf den Dächern der Gebäude hinter dem Park Beobachter und Scharfschützen postieren, aber es ist eine große Entfernung, und wir können die Öffentlichkeit nicht am Betreten des Parks hindern. Ich werde mich auf diejenigen von euch, die vor Ort sind, verlassen müssen. Ihr werdet als Jogger, Parkarbeiter, Geschäftsleute und so weiter auftreten, und ein paar werden auch in Uniform herumlaufen. Die Hauptsache ist, dass die Walküre durch nichts abgeschreckt wird. Und ihr könnt mir glauben, dass sie weiß, wonach sie suchen muss.«
»Das Wichtigste, wonach sie sucht, ist doch wohl Drescher«, warf Anna ein. »Was etwas problematisch sein könnte. Wenn nicht gar fatal.«
Fabel grinste triumphierend. »Hier kommt unser Doppelgänger ins Spiel.« Er ging zur Tür, öffnete sie und rief in den Korridor hinaus: »Wir sind bereit für die
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