Walküre
passiert.«
»Was denn?«
»Sylvie Achtenhagen – du weißt schon, die Fernsehmoderatorin und -reporterin von HanSat –, also, sie ist mir gefolgt. Ich habe sie von einem Streifenwagen anhalten lassen. Sie wollte mir ihre Hilfe bei diesem Fall anbieten. Unsinn, sicher, aber das Komische daran ist ...« Er brach mitten im Satz ab, lachte und schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin wahrscheinlich zu müde gewesen ...«
»Sprich weiter.«
»Tja, sie wollte mich wirklich überreden, ihr eine Exklusivmeldung über den Engel-Fall zukommen zu lassen. Ich hätte schwören können, dass sie mir Sex angeboten hat.«
»Du machst Witze!«
»Nein, sie wollte, dass ich mit in ihre Wohnung komme, damit wir ›unter bequemeren Umständen‹ über die Sache reden können.«
»Sie muss tatsächlich unbedingt eine Story benötigen.« Susanne hob die Augenbrauen.
»Danke für das Kompliment. Aber du könntest recht haben. Gott weiß, dass sie bei dem ursprünglichen Engel-Fall mehr Schaden als Nutzen bewirkt hat. Es hat fast den Anschein, als wolle sie nun unbedingt die Mörderin finden.«
Susanne lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und ließ einen Bleistift zwischen ihren perfekten Zähnen wippen. »Wenn ich mich nicht irre, ist Sylvie Achtenhagen eine ziemlich attraktive Frau.«
»Bei mir ist ihr Charme völlig verschwendet«, beteuerte Fabel. »Ich kann sie nicht ausstehen.«
»Auf dem Weg wohin?«, fragte Susanne.
»Bitte?«
»Du hast gesagt, du seist auf dem Weg irgendwohin ...«
»Oh, ich muss einen dänischen Polizisten am Flughafen abholen.« Er sah auf seine Uhr. »Verdammt, ich muss mich beeilen ... Guck dir das an, wenn du eine Möglichkeit hast, und wir sprechen später darüber.«
8.
Fabel stand im Ankunftsbereich des Flughafens Hamburg-Fuhlsbüttel, hielt ein Klemmbrett mit dem Namen »Vestergaard« – in großen Druckbuchstaben, die er mit einem Filzstift geschrieben hatte – in die Höhe und kam sich ein wenig lächerlich vor. Neben ihm waren andere, die das Gleiche taten – entweder mit Namen oder mit Firmenemblemen. Allerdings handelte es sich bei den anderen um Chauffeure, die in Hamburg eintreffende Geschäftsreisende abholen sollten.
Auch Fabel hätte einen Streifenwagen mit einem Schutzpolizisten entsenden können, doch er hielt es für diplomatischer, den dänischen Kollegen selbst zu empfangen, nachdem ihn sein Vorgesetzter dazu gedrängt hatte. Und wahrscheinlich war es tatsächlich angemessen, wenn er seinen Gast persönlich vom Flughafen abholte, denn Vestergaard war schließlich ein hochrangiger Beamter, der einen seiner Männer in Hamburg verloren hatte. Aber mit seinem Klemmbrett kam Fabel sich nicht wie ein Diplomat, sondern eher wie ein Chauffeur und vor allem wie ein Trottel vor.
Auf der Ankunftstafel wurde die Landung der Maschine aus Kopenhagen angezeigt, und ein paar Minuten später strömte eine Welle von Geschäftsleuten in Anzügen durch das Ankunftsgate. Fabel musterte die herauskommenden Gestalten und wettete mit sich selbst, dass er Vestergaard entdecken würde, bevor sich der Däne bei ihm vorstellte. Ein paar Sekunden lang wurde er von einer sehr attraktiven Blondine in einem teuren Kostüm und einem dunkelblauen Mantel abgelenkt. Sie begegnete seinem Blick kurz, und er schaute weg, teils aus Verlegenheit, weil ihr aufgefallen war, dass er sie beobachtet hatte, und teils aus Ärger darüber, dass er sich von seiner Aufgabe hatte ablenken lassen.
Dann entdeckte er ihn: einen großen, hellblonden Mann von ungefähr fünfzig Jahren, dessen Anzug die Breite seiner Schultern nicht verbergen und sein stämmiges Äußeres nicht abschwächen konnte. Alles an ihm deutete auf einen Polizisten hin, und Fabel stellte sich vor, dass Jespersen zu Lebzeiten so ähnlich ausgesehen hatte. Der Mann nickte in Fabels Richtung und eilte auf ihn zu. Fabel lächelte und wollte gerade die Hand ausstrecken, als der Mann an ihm vorbeischritt und seine Koffer dem Chauffeur aushändigte, der neben Fabel stand und ein Schild mit dem IBM-Logo hochhielt. Wie um die Kränkung zu verstärken, die Fabel durch seine mangelhafte Kombinationsgabe erlitten hatte, erteilte der »Däne« seinem Fahrer Anweisungen mit einem breiten bayerischen Akzent.
»Sie hatten also jemand anderen erwartet«, sagte eine weibliche Stimme auf Englisch.
Fabel drehte sich um, und die attraktive junge Frau, die er gerade bemerkt hatte, stand nun vor ihm. Sie zog eine Augenbraue hoch.
»Politidirektor Vestergaard?«,
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