Walkueren
jemand deswegen hier eingebrochen ist. Und dann ihr ganzes Arbeitszimmer und das Schlafzimmer auf den Kopf gestellt hat.«
»Jemand hat das Manuskript gesucht.«
»Langsam bin ich wirklich neugierig auf dieses Manuskript«, sagte Terje. »Ich habe gestern Abend in ihrem Buch gelesen, dieses Buch über die Bettfreuden, und ich muss sagen, da wird wirklich kein Blatt vor den Mund genommen. Ich habe die Männer, die mit ihr im Bett waren, wirklich bemitleidet, und die Frauen genau genommen auch. Alles mit Namen und Datum versehen. Wirklich knallhart; sie hat nicht die geringste Rücksicht auf deren Privatsphäre genommen.«
»Deiner Meinung nach ist es also in Ordnung, wenn Männer über Sex schreiben, aber wenn Frauen das tun, ist es pornografisch?«
»Was soll der Unsinn?«, sagte Terje verärgert. »Was ein Mann und eine Frau im Bett tun, war bis jetzt ihre Privatangelegenheit und geht niemanden was an. Wie fändest du es denn, wenn dein Mann ein Buch darüber schreiben würde, wie er dich im Bett findet? Nein. Das war falsch gefragt: Was glaubst du, wie dein Mann es fände, wenn du ein Buch mit ausführlichen Auskünften über seine Fähigkeiten im Bett herausgeben wolltest?«
»Ein interessanter Gedanke«, entgegnete Guðrún. »Ich zweifle allerdings an einem größeren Publikumsinteresse.«
»So. Und jetzt pass mal auf«, sagte Terje.
»Ja?«
»Wir fahren sofort zur Notaufnahme. Hoffentlich ist gerade eine talentierte Schneiderin im Dienst.«
Er sah Guðrúns Gesichtsausdruck und beeilte sich, hinzuzufügen: »Oder ein Schneider. Männer können auch sehr geschickte Hände haben.«
Das Personal von der Nachtschicht, das die abendlichen und nächtlichen Wunden in der Notaufnahme verbun den hatte, war längst nach Hause gegangen. Die Tagesschicht kümmerte sich in den Morgenstunden hauptsächlich um Patienten, die zur Kontrolle kamen.
Ein Lieferwagen parkte in Türnähe, und ein junger Mann in Handwerkerkluft stand daneben und beobachtete, wie sich Guðrún und Terje näherten. Die Wunde blutete noch immer. Guðrún hielt den Eisbeutel in der einen Hand und ein blutverschmiertes Tuch in der anderen.
Der Mann starrte die beiden unverhohlen an, und als sie an ihm vorbeigingen, rief er Terje hinterher: »Sag bloß, deine Frau hat sich an einer Tür gestoßen?«
Daraufhin setzte er sich in den Wagen und fuhr davon, bevor Terje ein Wort erwidern konnte.
Das Wartezimmer und der Empfang waren leer. Terje klopfte geräuschvoll mit dem Autoschlüssel gegen die Glasscheibe.
»Die Frau hat einen Schlag auf den Kopf bekommen. Sie hat eine Platzwunde, die genäht werden muss«, sagte er, als sich eine hochgewachsene blonde Frau im Kittel der Glaswand am Empfang näherte.
Um die Dringlichkeit der Angelegenheit zu verdeutlichen, hielt Terje seinen Polizeiausweis an die Scheibe.
»Sie arbeitet bei der Polizei«, fügte er hinzu, um neuerliche Missverständnisse zu vermeiden.
Die blonde Krankenschwester schien unbeeindruckt. Sie setzte sich an den Computer hinter dem Tresen, schaute auf und sagte:
»Name und Adresse?«
»Kann man das nicht hinterher aufnehmen?«
»Doch, das wäre sicher möglich«, antwortete die Krankenschwester. »Aber die Frau ist ja bei Bewusstsein, also können wir uns an die Regeln halten. Wie heißt sie?«
»Sie heißt Guðrún.« Terje zögerte, denn er konnte sich beim besten Willen nicht an den Nachnamen seiner Kollegin erinnern.
»Hallsdóttir«, ergänzte Guðrún.
Die Krankenschwester tippte den Namen ein. Dann sah sie sich die Patientin an, die sich, so gut es ging, das Blut aus dem Gesicht gewischt hatte und jetzt ihre Lederjacke untersuchte, die glücklicherweise rot und wahrscheinlich unversehrt war.
Guðrún leierte ihre Identifikationsnummer herunter, trat an die Glasscheibe, und ihr Blick fiel auf das Namensschild der Schwester über der linken Brust: ÁSDÍS, Oberschwester.
Ásdís? Oberschwester in der Notaufnahme? Das glaube ich jetzt nicht! Blond und sorgfältig hergerichtet wie ein Regierungsgebäude. Künstliche Wimpern, künstliche Fingernägel und mit Sicherheit ein Wonderbra. Am frühen Morgen! Sämtliche Köder ausgelegt. Keine andere als die Silikonschlampe, die die Institution der Ehe nicht akzeptierte und sich nicht darum kümmerte, in welchen Gewässern sie fischte.
»Und die Adresse?«, fragte die Silikonschlampe, ohne mit der Wimper zu zucken.
Guðrún stand schweigend da. Terje sah sie an und befürchtete, sie würde jeden Moment in Ohnmacht
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