Walkueren
Ein beschissener Kerl. Scheiße in der Kloschüssel. Kein sehr poetischer Vergleich, aber sie war ja auch keine Dichterin, sondern Hausfrau. Hausfrau und Polizistin. Oder war sie zuerst Polizistin und dann Hausfrau?
Ich bin keines von beidem, dachte sie, und beides gleichzeitig. Ich bin ich. Ich bin so, wie ich sein will. Ich gehöre mir. Morgens Polizistin. Abends Rachegöttin.
Was wäre ich lieber: Polizistin oder Hausfrau?
Polizistin, keine Frage.
Wäre ich lieber Polizistin oder Mutter? Polizistin oder Ehefrau? Warum muss das eine das andere ausschließen?
Ach, so ein Quatsch. Es wird sich schon alles ergeben.
Sie parkte den Wagen auf dem Parkplatz vor dem Wohnblock in Álfheimar und schaute auf die Uhr im Armaturenbrett. 8:42 Uhr. Das Morgenmeeting begann normalerweise um zehn nach neun. Am besten, sie gäbe kurz Bescheid.
Sie rief Terje an.
»Hallo.«
»Bist du das, Terje?«
»Nein, das ist mein automatischer Anrufbeantworter.«
»Ach komm, lass stecken. Hör zu, ich komme vielleicht ein bisschen später. Ich war schon auf dem Weg ins Büro, und da kam mir die Idee, mal kurz in Álfheimar vorbeizufahren und mich dort noch mal genauer umzusehen.«
»Du willst dich in Álfheimar umsehen?«
»In der Wohnung. Du weißt schon.«
»Die wir gestern untersucht haben?«
»Ja«, sagte sie und fand, dass das irgendwie albern klang. »Hast du damit ein Problem?«
»Nein, nein«, entgegnete er. »Aber ist mit dir alles in Ordnung?«
Die Frage überraschte sie.
»Mit mir? Doch. Klar.«
»Okay«, sagte Terje.
»Okay, also sag bitte den anderen Bescheid.«
»Wenn ich dran denke«, sagte Terje und legte auf.
Warum fragte er, ob alles in Ordnung sei? War sie zum Gesprächsthema der Wache geworden? Alle müssen nett zu Guðrún sein, weil ihr Mann sie satthat und sich eine andere geangelt hat? Und wisst ihr was? Seine Geliebte ist nicht mal jünger als seine Ehefrau! Habt ihr so was schon mal gehört? Wer hatte wohl über sie hergezogen? Víkingur? Theódór? Blödsinn. Sie war schon paranoid.
Als Guðrún den Schlüssel ins Schloss steckte, entdeckte sie Kratzer am Türrahmen. Gestern hatte sie keinerlei Spuren an der Tür bemerkt. Aber da war Terje vorgegangen. Er hatte aufgeschlossen. Er hatte die Schlüssel gehabt.
Als sie den Flur betrat, hatte sie sofort das Gefühl, nicht allein in der Wohnung zu sein. Ich bin tatsächlich hysterisch, dachte sie. Paranoid, überreizt, nervenschwach.
Trotz alledem konnte sie nicht an sich halten und durchbrach die Stille, indem sie gepresst rief:
»Hallo? Ist da wer?«
Die Antwort entsprach nicht dem, was sie erwartet hatte. Sie hörte hinter sich aus dem Schlafzimmer ein Rascheln, aber bevor sie sich umdrehen konnte, wurde sie von einem schweren Gegenstand am Kopf getroffen und sah nur noch Sternchen. Dann wurde alles schwarz.
Sonderbarerweise war Randver ziemlich ungehalten, als Terje ihm mitteilte, Guðrún käme wahrscheinlich später zum Meeting, da sie auf dem Weg zur Arbeit in Freyjas Wohnung vorbeischauen wolle.
»Wo kämen wir denn da hin, wenn alle in der Gegend rumfahren würden, um alles, was ihnen gerade in den Sinn kommt, auf eigene Faust auszukundschaften?«, sagte Randver. »Vielleicht ist es ja bei den Kollegen von der Technischen Abteilung üblich, dass jeder nach seinen eigenen Vorstellungen arbeitet, aber wir hier bei der Kripo gehen anders vor. Hier arbeitet man im Team.«
Terje versuchte, dem Assistenten des Hauptkommissars zu erklären, Víkingur habe Guðrún am Tag zuvor beauftragt, der Kripo in diesem speziellen Fall zur Hand zu gehen, »oder so«.
»Da gibt’s kein ›oder so‹«, erwiderte Randver. »Wir halten uns hier an die Vorschriften und nicht an irgendein dummes Zeug, das man im Fernsehen sieht. Und was eine Wohnungsdurchsuchung betrifft, da geht man zu zweit hin. Deshalb wirst du jetzt losfahren und sie bei ihren Nachforschungen überraschen, mein Freund. Meinetwegen kannst du ruhig anklopfen und sie erschrecken. Hauptsache, sie lernt, dass man bei den Ermittlungsarbeiten von Kapitalverbrechen nicht allein unterwegs ist. Selbst Sherlock Holmes hatte immer Watson dabei, und der war bestimmt nicht regeltreu. Sag ihr das.«
Um in den Hausflur zu gelangen, drückte Terje auf sämtliche Klingelknöpfe, außer auf Freyja Hilmarsdóttirs. Niemand sprach durch die Gegensprechanlage, aber er hörte ein Summen, und die Haustür öffnete sich. Terje rannte die Treppe hinauf. Die Wohnungstür war geschlossen, also
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