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Walkueren

Walkueren

Titel: Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Þráinn Bertelsson
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der Justizminister. Er hatte schon lange die Nase voll von dem Kompetenzgerangel der beiden. Laut sagte er: »Im Großen und Ganzen kann ich vielem, was hier gesagt wurde, zustimmen und die Standpunkte beider Amtsbereiche sehr gut nachvollziehen. Ich danke dem Reykjavíker Polizeidirektor für das vorliegende Papier, das ich selbstverständlich überdenken werde. Wie jedem vernunftbegabten Menschen bereitet mir die zunehmende Kriminalität in der heutigen Zeit natürlich Sorgen. Aber so war es schon immer. Die Verbrechen, die du schilderst, Lúðvík, sind nicht neu. Mich beunruhigen ganz andere Dinge. Was mich am meisten ängstigt, ist der nationale Extremismus, nicht unbedingt ausländische Terroristen, Islamisten und so weiter, sondern antidemokratische Bestrebungen im Inland von Leuten, die eine rechtmäßig gewählte Regierung nicht akzeptieren. Davor müssen wir auf der Hut sein. Zunächst möchte ich vor allzu hohen Erwartungen warnen, dass tiefgreifende Gesetzesänderungen unsere Arbeit in absehbarer Zeit erleichtern werden. Es hat sich schon oft gezeigt, dass neue Gesetze nicht zwingend besser sind als die alten. Hinzu kommen die unglaublichen Schwierigkeiten, die notwendigen Gesetzesänderungen durch das Althing zu bringen. Die Opposition misstraut grundsätzlich sämtlichen Vorschlägen, und die Medien tun alles, um die Regierung zu untergraben, indem sie unsere Verordnungen gern falsch interpretieren und ad absurdum führen. Könnt ihr euch vorstellen, was morgen im Althing und in den Medien los wäre, wenn ich vorschlagen würde, die Befugnisse für Telefonüberwachungen zu erweitern?«
    Bei diesen Worten breitete der Minister am Ende des Tisches seine Arme aus, um den Anwesenden zu demonstrieren, in welcher Stellung man ihn kreuzigen würde. Er machte eine Pause und musterte seine Zuhörer mit ernstem Gesicht. Lúðvík schien geistig nicht wirklich anwesend zu sein, weshalb die Kreuzigungsmetapher mehr oder minder ihr Ziel verfehlte.
    »Wir dürfen nicht ausschließlich auf irgendwelche neuen Gesetze vertrauen«, fuhr Daniel fort. »Intelligenten Männern – und Frauen«, fügte er aus Rücksicht auf Elín hinzu, »stehen immer alternative Wege offen. Wir sollten bedenken, dass alle Gesetze Kinder ihrer Zeit sind, und auch wenn sie nicht geändert werden, ist ihre Auslegung sehr dehnbar«, an dieser Stelle konnte sich der Justizminister nicht zurückhalten, seine Lieblingsformulierung zu verwenden, »also mutatis mutandis.«
    Diese Redewendung machte sich immer gut, klang hochgestochen und verhinderte in den meisten Fällen Widersprüche, denn es gab nur wenige Personen im Land, die sie verstanden. Möglicherweise gehörte Lúðvík zu ihnen, aber das tat nichts zur Sache, denn er schien gerade wieder eingeschlafen zu sein. Sehr gut. Der nächste Tagesordnungspunkt waren die neuen Pläne für den Aufbau einer »Polizeilichen Sicherheitstruppe« – die Spaßvögel wahrscheinlich mit PS abkürzen würden.
     
    Lúðvík schlief aber nicht. Sobald der Justizminister mit leiser Stimme die Pläne für den Aufbau einer »Sicherheitstruppe« erwähnt hatte, öffnete Lúðvík ein wenig die Augen und fragte: »Welche Pläne? Soweit ich weiß, soll Hauptkommissar Víkingur Gunnarsson die Leitung dieser Abteilung übernehmen, sobald sie offiziell gegründet wurde, und mir ist bekannt, dass Víkingur in den letzten Monaten viel Vorbereitungsarbeit geleistet hat und bereit ist, ein Konzept und Vorschläge vorzulegen, sobald er dazu aufgefordert wird.«
    »Er ist nicht hier«, entgegnete der Justizminister.
    »Nein«, sagte Lúðvík. »Er ist nicht hier, weil ich keine Ahnung hatte, dass es bei diesem Meeting um den Aufbau der Sicherheitsabteilung gehen sollte. Daher habe ich entschieden, dass er Wichtigeres zu tun hat, als an einer Routinebesprechung teilzunehmen.«
    »Routine hin oder her«, sagte Daniel und setzte sein berühmtes Lächeln auf, das zwei Reihen ungewöhnlich kräftiger Zähne entblößte und zu erkennen gab, dass ihm nicht zum Lachen zumute war. »Das ist jetzt schon das dritte Meeting, zu dem der Hauptkommissar nicht erschienen ist. Wir können uns durch seine Abwesenheit nicht länger daran hindern lassen, dringende Themen zu verschieben.«
    »Vielleicht werde ich ja langsam senil«, sagte Lúðvík und tat so, als habe er den Denkfehler des Ministers nicht bemerkt. »Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass irgendwelche Themen bei den letzten Besprechungen aufgrund von Víkingurs

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