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Walkueren

Walkueren

Titel: Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Þráinn Bertelsson
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zugezogen.«
    »Aber du bist dir sicher, dass es ein Mann war?«
    »Ja, eigentlich schon.« Bára Thomsen dachte nach. »Das konnte man leicht an seiner Haltung erkennen. Es war ein großer Mann, ziemlich schlank. Er trug eine dunkle Jacke, ungefähr hüftlang, mit einer dünnen Kapuze, und entweder einen Schal darunter oder einen Rollkragenpullover, sodass ich sein Gesicht nicht richtig sehen konnte. Aber er war zweifellos stark und hat sich wie ein junger Mann bewegt.«
    »Wie konntest du sehen, dass er stark war?«
    »Er hatte ja in der einen Hand die Tasche. Ich weiß natürlich nicht, ob sie leicht oder schwer war, aber mit der anderen Hand hielt er die Frau umfasst und trug sie beinahe. Sie konnte sich nicht richtig auf den Beinen halten, die Arme. Ich hab sie vorher noch nie in einem solchen Zustand gesehen. Ich dachte, sie sei betrunken, aber als ich gehört habe, dass sie tot ist, habe ich begriffen, dass sie wohl krank gewesen sein muss.«
    »Wo warst du, als du das beobachtet hast?«, fragte Guðrún Sólveig.
    »Ich hab auf meinem üblichen Platz auf dem Stuhl da am Fenster gesessen. Da sitze ich meistens abends und morgens und lese oder versuche, Radio zu hören. Ich brauche nicht mehr so viel Schlaf. Normalerweise reichen mir nachts ein paar Stündchen, und meistens lege ich mich nach den Mittagsnachrichten noch einmal hin und versuche, zwei, drei Stunden zu schlafen.«
    »Hast du gesehen, ob sie dich bemerkt haben? Haben sie hochgeschaut?«
    »Ja, der Mann hat sich mehrmals umgeschaut, aber ich war zu müde zum Lesen und hatte das Licht ausgeschaltet. Ich sitze gern im Dämmerlicht.«
    »Kannst du noch mal ganz genau beschreiben, was du gesehen hast?«
    »Ich habe gehört, wie jemand durch die Haustür im Wohnblock gegenüber gegangen ist, und als ich aus dem Fenster geschaut habe, habe ich sie zum Auto gehen sehen. Der Mann hat die Tasche abgestellt und die Frau gestützt, die Wagentür geöffnet und sie ins Auto gesetzt. Dann hat er die Tür zugemacht. Nicht mit übermäßig viel Lärm, wie es viele tun. Dann ist er um das Auto herumgegangen, hat die Fahrerseite geöffnet und die Tasche auf den Rücksitz gestellt, und dann ist er weggefahren.«
    »Würdest du den Mann wiedererkennen, wenn du ihn sehen würdest?«
    »Nein, das glaube ich nicht. Nachts sind alle Katzen grau. Aber es sind dennoch Katzen.«
    »Hattest du deine Brille auf?«, fragte Terje. »Die Brille, die du holen musstest, um dir unsere Ausweise anzuschauen?«
    »Ich benutze keine Lesebrille, um aus dem Fenster zu gucken, mein Lieber«, antwortete die alte Dame und warf Guðrún einen teilnahmsvollen Blick zu, weil sie mit einem solchen Dummkopf zusammenarbeiten musste. »Dich habe ich auch gesehen, meine Liebe, als du heute Morgen hier warst. Hast du den Mann auf der Treppe getroffen?«
    »Welchen Mann?«
    »Na, den, der aus dem Haus gerannt kam, nachdem du hineingegangen warst. Draußen wartete ein Auto auf ihn. Ich dachte, er sei zu spät zum Training unterwegs. Soweit ich sehen konnte, hatte er eine Sporttasche dabei.«
    »War das derselbe Mann wie der, den du vorgestern Abend gesehen hast?«, fragte Guðrún.
    »Ich bin mir nicht sicher«, antwortete Bára Thomsen. »Es war noch nicht hell. Und nachts …«
    »… sind alle Katzen grau«, ergänzte Terje.
    »Aber du hast mich doch auch erkannt«, insistierte Guðrún.
    »Das ist ja nicht schwer, bei diesem schönen Haar.«
    »Hör zu«, sagte Guðrún. »Ich hätte jetzt liebend gerne einen Kaffee, falls es nicht zu viele Umstände macht.«
22
Keine Geheimnisse
    Als das Meeting beendet war, verabschiedete sich der Justizminister von seinen Gästen, bat aber die Landespolizeichefin, noch einen Moment zu bleiben. »Es gibt da eine delikate Angelegenheit, die ich mit dir besprechen möchte«, sagte er. »Hat überhaupt nichts mit unserem Meeting zu tun. Ich habe eine sehr beunruhigende E-Mail erhalten.«
     
    Eysteinn Brandsson wartete eine ganze Weile im Auto auf seine Vorgesetzte. Als Elín in der Tür des Ministeriums erschien, stieg er aus und öffnete ihr die Beifahrertür.
    Immerhin pflegte sie sich nach vorn zu setzen, anstatt
    sich in voller Montur auf dem Rücksitz breitzumachen. Sie war natürlich seine Vorgesetzte, und deshalb gehörte es zu seinen Aufgaben, den Wagen zu fahren. Das war ärgerlich, und er bedauerte es, nicht irgendeinen Polizeibeamten als Fahrer zugeteilt bekommen zu haben. Dann hätten sie wie Gleichberechtigte nebeneinander auf der Rückbank sitzen

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