Walkueren
für ehrenhafte Firmen und Privatpersonen nachzugehen.
Außer seinen Kollegen hatte auch die Ärzteschaft ein brennendes Interesse an Guðbjartur. Grund für den medizinischen Eifer war die Bekanntheit des Anwalts dafür, kaum etwas anderes als Fleisch zu sich zu nehmen, oft gebraten oder gekocht, meistens jedoch gegrillt. Das ganze Jahr über stand er auf der Veranda seines Hauses neben dem Gasgrill und bereitete das Abendessen für sich und seine Frau zu – Fleisch, in rauen Mengen. Seine Frau war gertenschlank, gemäß der berühmten Theorie von Dr. Atkins, die besagt, dass kohlenhydratarme Kost der beste Schutz vor Übergewicht sei. Guðbjartur hingegen wurde von Jahr zu Jahr fetter, obwohl er sich ausschließlich von frischen, tierischen Proteinen ernährte.
Die einzige Erklärung der Ärzteschaft für Guðbjarturs anomalen Stoffwechsel war, dass er heimlich trinke und sein Übergewicht vom Alkohol herrühre, den seine leistungsstarke Leber in Fett umgewandelt hatte. Diese Erklärung war jedoch in der Realität kaum haltbar, denn Guðbjartur war ein maßvoller Trinker und konsumierte jeden Abend eine Flasche Rotwein, genau eine Flasche, nicht mehr und nicht weniger, während seine Frau dazu neigte, sich noch mal nachzuschenken. Viele Ärzte träumten davon, den Anwalt zu untersuchen, aber ihr Wunsch wurde nicht erfüllt, denn Guðbjartur mied Medikamente und Ärzte so nachdrücklich, wie es seine Mandanten nach Rauschmitteln verlangte.
Zu Beginn der Vernehmung legte Randver drei Fotos vor dem Angeklagten auf den Tisch. Darauf zu sehen waren dessen Kinder und seine verschwundene Frau.
»Das sind eure Kinder«, erklärte Randver. »Man hat ihnen erzählt, ihre Mutter sei verschwunden. Bist du dir im Klaren darüber, dass du verantwortlich bist, wenn deine Kinder immer glauben werden, ihre Mutter habe sich auf- und davongemacht und sie zurückgelassen? Versuch doch mal, dich in deine Kinder hineinzuversetzen! Meinst du nicht, es ist an der Zeit, die Konsequenzen für dein Tun zu übernehmen? Das wäre für alle das Beste.«
Sveinbjörn hörte aufmerksam zu und lächelte dumpf.
Randver fuhr fort: »Die Ergebnisse der DNA-Untersuchung sind da, ein Abgleich mit dem Haar und dem Blut auf dem Brecheisen; dieselbe DNA wurde auf dem Kopfkissen deiner Frau gefunden. Die Ergebnisse beweisen, dass deine Frau mit diesem Brecheisen geschlagen wurde, und die Fingerabdrücke darauf zeigen, dass du es warst, der es in der Hand hielt.«
Sveinbjörn rutschte auf seinem Stuhl hin und her und blickte zu seinem Rechtsanwalt, der keine Miene verzog. Guðbjartur hatte schon früh gelernt, sich bei Vernehmungen zurückzuhalten und lediglich ab und zu durch höfliches Räuspern an seine juristische Anwesenheit zu erinnern.
»Ich weiß, ihr glaubt mir nicht, dass ich mich an nichts erinnern kann«, sagte Sveinbjörn. »Aber leider ist die Realität manchmal viel unglaublicher als irgendeine Lügengeschichte. Wenn ich zugebe, dass ich diesen Gedächtnisverlust teilweise erfunden habe, würdet ihr mir dann meine Geschichte glauben? Sie ist nämlich wahr. Ihr müsst versuchen, mir zu glauben.«
»Ich glaube dir alles«, entgegnete Randver, »solange es die Wahrheit ist.«
»Glaubst du an Außerirdische?«, fragte Sveinbjörn daraufhin. »Oder bist du so unendlich überheblich zu glauben, es gäbe im Universum kein anderes Leben, außer auf unserem dreckigen, kleinen Planeten?«
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Informationen
Wenn Polizeidirektor Lúðvík Ásmundsson mit seinen Mitarbeitern sprechen wollte, ging er normalerweise zu ihnen. Er hatte dann die Angewohnheit, über Gott und die Welt zu plaudern, bevor er zum Thema kam. Daher war Víkingur überrascht, als die Sekretärin anrief und ihm mitteilte, der Polizeidirektor erwarte ihn »so bald wie möglich« in seinem Büro.
Noch überraschender war, dass Lúðvík unverzüglich zum Thema kam, nachdem Víkingur Platz genommen hatte.
»Ich komme gerade von diesem Meeting beim Justizminister, und es war entgegen allen Erwartungen interessant. Elín war da, mit diesem Wichtigtuer mit dem tollen Uniabschluss, BMA oder irgend so ein Mist.«
»MBA«, berichtigte ihn Víkingur. »Eysteinn Brandsson; er arbeitet als eine Art Organisations- oder Rationalisierungsmanager.«
»Nicht mehr«, entgegnete Lúðvík. »Mir wurde mitgeteilt, der Justizminister habe sich entschieden, uns die neue Sicherheitsabteilung doch nicht zu übergeben, sondern die Landespolizeichefin mit der Gründung zu beauftragen. Ich habe
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