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Walkueren

Walkueren

Titel: Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Þráinn Bertelsson
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– daher das Spielchen mit der Zusatzausbildung in Strafverfolgung und Betriebsführung beim FBI. Sie war schlicht und ergreifend die qualifizierteste Bewerberin gewesen, und weil sie eine Frau war und Gestur Oddleifsson ihr Onkel, nutzten dessen politische Gegner die Gelegenheit, ließen dies in den Medien durchsickern und erzählten jedem, der es hören wollte, sie sei ein weiteres Beispiel für Nächsten- und vor allem Verwandtenliebe in der isländischen Politik.
    Es war schwer, mit diesem boshaften Gerücht zu leben, und Elín hatte einmal einen Mann in einem Restaurant niedergeschlagen, weil er sie als »Polizeichefin der Demokratischen Partei« verhöhnt hatte. Bei diesem Vorkommnis hatte sie auch die Bemerkung fallen lassen, ein am Körper baumelndes Geschlechtsteil sei noch lange kein Zeichen geistiger oder körperlicher Überlegenheit.
    Was Elín noch störte, waren Aufschübe. Sie war ungeduldig und betrachtete Aufschübe als dauerhafte Form von Chaos. »Entweder jetzt oder sofort« war ihr Lieblingsspruch. Es nervte sie, wie langsam die meisten ihrer Kollegen arbeiteten. Die einfachsten Dinge dauerten eine Ewigkeit, und die meisten Fälle hatten die Neigung, mit anderen Verbrechen, die während der Ermittlungen geschahen, in Zusammenhang zu stehen und noch mehr Zeit in Anspruch zu nehmen, noch mehr Arbeit, noch mehr Überstunden, noch mehr Personal und unendlich viel Geld.
    Während ihrer Ausbildung war sie gar nicht auf die Idee gekommen, dass sie sich als Landespolizeichefin in erster Linie um Finanzen und Personalfragen kümmern müsste. Sie hatte sich vorgestellt, dass es mit den gegebenen polizeilichen Mitteln möglich sei, sämtliche Verstöße gegen das Gesetz zu bekämpfen und die Gesellschaft sicher und friedlich zu machen. Sie war zwar nicht so naiv, zu glauben, dass ein mächtiger Polizeiapparat die menschliche Natur verändern könnte, aber sie hatte gehofft, beweisen zu können, dass sich Verbrechen nicht lohnen. Inzwischen wusste sie, dass sich manche Verbrechen durchaus lohnten. Die Voraussetzung für lohnende Verbrechen war natürlich, dass sie nicht aufflogen. Die schlausten Verbrecher hatten längst begriffen, dass der einfachste Weg war, sich voll und ganz auf solche Verbrechen zu konzentrieren, die von Polizei und Allgemeinheit überhaupt nicht registriert wurden. Der Abteilung für Wirtschaftskriminalität müssten beispielsweise mindestens hundert ausgebildete Wirtschaftsprüfer zur Seite stehen, damit sie die schlimmsten Vergehen aufdecken könnte. Jeder Trottel war in der Lage, einem zugedröhnten Schwachkopf, der eine geklaute Kreditkarte benutzte, auf die Schliche zu kommen, aber ein Direktor oder Geschäftsführer, der auf Kosten der Allgemeinheit Blut aus dem eigenen Unternehmen abzapfte, ließ sich von der Polizei nicht so leicht festnageln. Die Betriebsprüfung der Mínus Group war im Grunde die Bewährungsprobe für die Tauglichkeit der Behörde, anspruchsvolle Aufgaben bewältigen zu können. Elín hoffte, die Sache einwandfrei zu erledigen, wagte es jedoch nicht, auf bahnbrechende Erfolge in naher Zukunft zu hoffen.
    Daher war ihre Schlussfolgerung, dass die Polizei im Kampf gegen Gesetzesverstöße jener Gruppe von Menschen, die für gewöhnlich Verbrecher genannt werden, aber überwiegend Alkoholiker oder Junkies sind, hervorragend vorankam. Diese »Verbrecher« verübten derart dumme Diebstähle oder wendeten so unüberlegt Gewalt an, dass ihre Festnahme und Verurteilung eigentlich unvermeidlich war, wie unterbesetzt und stümperhaft die Polizei auch sein mochte. Der Kampf der Polizei gegen jene Verbrechen, die von mehr oder weniger nüchternen Personen vorsätzlich begangen wurden – Wirtschaftsverbrechen, Gewalt in der Familie, Kindesmissbrauch, Drogenhandel –, war hingegen ebenso erfolglos wie die Bemühungen der Priester um die Einhaltung der Zehn Gebote.
    Elín fühlte sich einsam an der Spitze der Pyramide. Sie war Leiterin der Behörde und hatte ihre Macht und ihren Einfluss auf die verschiedenen Polizeiinspektionen im Land ausgeweitet. Ihre Vision war eine einzige Polizeibehörde für das ganze Land, die Landespolizeibehörde: zentralisiert, modern, computerisiert und reaktionsschnell. Dann wäre sie von fähigen Abteilungsleitern umgeben, denen sie die Aufsicht über die verschiedenen Fälle übertragen könnte, ganz nach Qualifikation jedes Einzelnen.
    Vereint stehen wir, gespalten fallen wir, dachte Elín. Dabei kam ihr natürlich, wie ein

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