Walkueren
einen Weg finden.«
»Einen Weg wohin?«
»Einen Weg, um an das Manuskript zu kommen! Wie oft muss ich dir das denn noch sagen?«
»Hör zu, es gibt noch eine Sache, die ich dich fragen möchte«, sagte Elín. Wieder war das Klirren von Eiswürfeln und Kristall zu hören, als sich der Botschafter eine weitere Erfrischung genehmigte.
»Was möchtest du wissen, Schätzchen?«, fragte der Botschafter jovial.
»Bist du zu allen Leuten, mit denen du sprichst, so unverschämt, oder nur zu Frauen?«
Der Botschafter lachte auf.
»Ich wollte nicht unverschämt sein, Schätzchen, aber Frauen behandelt man besser etwas energischer.«
»Als ich mit ihm gesprochen habe, war er sehr höflich«, erzählte Eysteinn Brandsson, als Elín ihn fragte, wie das Telefonat mit Kjartan A. Hansen verlaufen sei. »Schließlich ist er ein Mann von Welt und ein bekannter Diplomat.«
Eysteinn war erstaunt, zu hören, dass der Botschafter die Landespolizeichefin angerufen hatte.
»Ich dachte, ihm sei klar gewesen, dass der Fall in meinen Händen liegt. Aber vielleicht ist er so einer, der grundsätzlich nur mit dem Chef sprechen will.«
»Hat er dir gesagt, wo das Manuskript seiner Meinung nach abgeblieben ist?«, fragte Elín.
»Nein. Er hat nur betont, es sei in nationalem Interesse, es zu finden.«
Elín erzählte Eysteinn, der Botschafter sei davon überzeugt, dass Magnús Mínus im Besitz des ›Walküren‹-Manuskripts sei.
»Da kann er natürlich Recht haben«, entgegnete Eysteinn. »Aber das heißt nicht, dass wir es auch finden.«
»Falls der Botschafter Recht hat, wird auch das noch ans Licht kommen«, sagte Elín.
»Es wird ans Licht kommen – falls es uns gelingt, den Dieb ausfindig zu machen«, sagte Eysteinn. »Und diese Möglichkeit ist in der Tat begrenzt. Hier war ein Fachmann am Werk.«
»Dann müssen wir den Fachmann finden und ihn dazu bringen, zuzugeben, dass Magnús hinter der Sache steckt.«
»Das ist aber nicht so einfach«, erwiderte Eysteinn. »Der Job eines Auftrags killers ist nur deshalb so ungefährlich und bequem, weil es keine Verbindung zwischen Mörder und Opfer gibt. Wer einen Auftragskiller engagiert, hat einen Beweggrund, so wie Magnús in diesem Fall, aber der Auftragnehmer, der keinen Beweggrund hat, muss nur über ein gutes Alibi nachdenken. Ein Auftragskiller kommt und geht wie ein Schatten; nichts Vergangenes verbindet ihn mit dem Opfer.«
»Es sei denn, jemand beobachtet ihn bei der Tat.«
»Genau. Oder er hinterlässt Fingerabdrücke, DNA- oder andere Spuren. Aber das weiß jeder, der schon mal Fernsehen geguckt hat, also achten sogar Anfänger darauf.«
»Das ist alles richtig«, sagte Elín. »Problematisch ist nur, dass die Kripo glücklicherweise eine Zeugin gefunden hat, die Freyja in Begleitung eines Mannes gesehen hat und ihn beschreiben kann.«
»Ach. Das ist ja ein Ding«, entgegnete Eysteinn. »Wer ist diese Zeugin?«
»Man könnte es als glücklichen Zufall bezeichnen«, antwortete Elín. »Im Nachbarhaus wohnt eine alte Dame, Bára Thomsen, die die Leute im Haus gegenüber nicht aus den Augen lässt. Sie hat den Mann gesehen. Morgen soll nach ihrer Beschreibung ein Phantombild
von ihm angefertigt werden.«
»Warum wurde das denn nicht sofort gemacht?«
»Das weiß ich nicht. Sie ist eine alte Frau; vielleicht wollte man sie nicht überanstrengen. Aber sie wohnt wie gesagt im Nachbarhaus, und von ihrem Fenster aus sieht man Freyjas Haustür.«
»Wird interessant, zu sehen, was dabei herauskommt«, sagte Eysteinn. »Aber Gott hätte bestimmt Verbrecher mit Hörnern und Schwanz geschaffen, wenn er gewollt hätte, dass die Kripo sie aufspürt.«
44
Abschied
»Ich wusste schon, dass bei euch was nicht stimmt, aber ich hab gehofft, es würde wieder in Ordnung kommen.«
Aida Bergþórsdóttir, fast dreizehn Jahre alt, war unbestreitbar ein kluges Kind.
»Meine Freundin Hrund hat auch einen Papa, der geschieden ist. Sie muss jedes zweite Wochenende mit ihm und ihrer kleinen Schwester in den Familien- und Haustierpark und ins Schwimmbad und bei ›Ruby Tuesday‹ essen.«
»Bei uns wird das ganz anders, Schatz«, sagte Bergþór zu seiner Tochter.
»Ich mag lieber Hamburger«, meinte Darri Bergþórsson, neun Jahre alt, und ließ sich von der Neuigkeit, dass sein Vater zu Hause ausziehen würde, nicht aus der Ruhe bringen – zumindest noch nicht.
»Hauptsache, ihr vergesst nicht, dass Papa euch noch genauso lieb hat wie vorher, auch wenn er nicht mehr bei euch
Weitere Kostenlose Bücher