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Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Titel: Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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auf der Hafenstraße, gleich um die Ecke.
    Ein bedeutend freundlicherer Bankangestellter brachte ihn in den dortigen Raum für Schließfächer. Als Kurt Wallander die Metallschublade öffnete, wurde er im selben Moment auch schon enttäuscht. Das Fach war völlig leer.
    Auch über dieses Schließfach hatte niemand, außer Johannes Lövgren selbst, das Verfügungsrecht. Er hatte das Fach seit 1962.
    »Wann ist er zuletzt hier gewesen?« fragte Kurt Wallander.
    Die Antwort ließ ihn auffahren.
    »Am 4.   Januar«, antwortete der Bankangestellte, nachdem er das Besuchsregister durchgesehen hatte. »13.15   Uhr, um genau zu sein. Er blieb zwanzig Minuten.«
    Aber obwohl Wallander das gesamte Personal befragte, konnte sich keiner daran erinnern, ob er etwas bei sich gehabt hatte, als er die Bank verließ. Außerdem konnte sich auch keiner an seine Aktentasche erinnern.
    Das Mädchen von der Raiffeisenbank, dachte er. Eine wie sie müßte es in jeder Bank geben.
    |118| Kurt Wallander kämpfte sich auf windigen Seitenstraßen zur Konditorei Fridolf durch, wo er einen Kaffee trank und dazu eine Zimtschnecke aß.
    Ich wüßte nur zu gerne, was Johannes Lövgren zwischen zwölf und Viertel nach eins gemacht hat, dachte er. Was tat er zwischen dem ersten und dem zweiten Bankbesuch? Und wie kam er überhaupt nach Ystad? Und wie ist er von hier wieder weggekommen? Ein Auto besaß er jedenfalls nicht.
    Er holte seinen Notizblock heraus und fegte ein paar Krümel vom Tisch. Nach einer halben Stunde hatte er eine Auflistung der Fragen zusammengestellt, die so schnell wie möglich beantwortet werden mußten.
    Auf dem Rückweg zum Auto ging er in ein Herrenbekleidungsgeschäft und kaufte ein paar Strümpfe. Er war verblüfft über den hohen Preis, bezahlte aber widerspruchslos. Früher hatte immer Mona seine Kleidung eingekauft. Er versuchte, sich daran zu erinnern, wann er zuletzt selbst Strümpfe gekauft hatte.
    Als er wieder zu seinem Wagen kam, steckte ein Strafzettel unter dem Scheibenwischer.
    Wenn ich nicht bezahle, wird irgendwann Anklage gegen mich erhoben, dachte er. Dann wird die hiesige Staatsanwältin, Anette Brolin, gezwungen sein, ein Verfahren zu eröffnen, um mich zur Rechenschaft zu ziehen.
    Er knallte den Strafzettel ins Handschuhfach und dachte wieder daran, daß sie sehr schön war. Schön und verführerisch. Dann dachte er an die Zimtschnecke, die er gerade gegessen hatte.
    Es wurde drei, bis Thomas Näslund telefonisch von sich hören ließ. Zu diesem Zeitpunkt hatte Kurt Wallander bereits entschieden, daß die Fahrt nach Kristianstad bis zum nächsten Tag warten konnte.
    »Ich bin völlig durchnäßt«, meinte Näslund am Telefon. »Ich bin jetzt durch das ganze matschige Fyletal getrampelt.«
    »Quetsch ihn ordentlich aus«, antwortete Kurt Wallander. |119| »Setz ihn ruhig ein wenig unter Druck. Wir müssen alles rauskriegen, was er weiß.«
    »Soll ich ihn mitbringen?« fragte Näslund.
    »Begleite ihn nach Hause. Vielleicht fällt es ihm leichter zu reden, wenn er zu Hause an seinem Küchentisch sitzt.«
    Die Pressekonferenz sollte um vier anfangen. Kurt Wallander suchte nach Rydberg, aber niemand wußte, wo er war.
    Der Raum war voller Journalisten. Kurt Wallander sah sofort, daß die Reporterin vom Lokalradio auch dabei war, und beschloß hastig, herauszufinden, was sie eigentlich über Linda wußte.
    Er merkte, daß sein Magen revoltierte.
    Ich verdränge ständig, dachte er. Und dann auch noch all das, wozu ich einfach nicht komme. Ich suche nach den Mördern der Toten und komme nicht dazu, mich den Lebenden zu widmen.
    Einen schwindelerregenden, kurzen Moment lang war sein gesamtes Bewußtsein von einem einzigen Wunsch erfüllt.
    Aufzubrechen. Zu fliehen. Ein neues Leben anzufangen.
    Dann stellte er sich auf das kleine Podest und hieß alle zur Pressekonferenz herzlich willkommen.
    Nach siebenundfünfzig Minuten war das ganze vorbei. Kurt Wallander glaubte, daß es ihm ganz gut gelungen war, dem Gerede, daß die Polizei nach ein paar Ausländern als Täter suchte, entgegenzutreten. Er war mit keinen Fragen konfrontiert worden, die ihm Probleme bereitet hätten. Als er von dem Podest herunterstieg, war er zufrieden.
    Das Mädchen vom Lokalradio wartete, während er vom Fernsehen interviewt wurde. Wie immer, wenn eine Fernsehkamera auf ihn gerichtet war, wurde er nervös und verhaspelte sich. Aber der Reporter war zufrieden und wollte keine weiteren Aufnahmen machen.
    »Ihr müßt euch bessere

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