Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht
ich«, sagte er. »Am besten kontrollierst du erst einmal, ob die Nummer stimmt. Sie soll einem Sten Widen gehören. Oder einem Galoppstall, der einen Namen trägt, den ich nicht kenne.«
»Den weiß Hansson bestimmt«, meinte Ebba.
»Ich sagte Galopp, nicht Trab.«
»Er setzt auf alles, was sich bewegt«, erwiderte Ebba und grinste.
»Ich bin in der Raiffeisenbank, falls was Wichtiges sein sollte«, sagte Kurt Wallander.
Er parkte das Auto gegenüber der Buchhandlung am Marktplatz. Der kräftige Wind hätte ihm fast den Parkschein aus der Hand gerissen, für den er das Geld in den Automaten geworfen hatte. Die Stadt war wie leergefegt. Die kräftigen Sturmböen sorgten dafür, daß die Menschen zu Hause blieben.
An einem Rundfunkgeschäft, das am Marktplatz lag, blieb er stehen. Als ein Versuch, seine allabendliche Tristesse zu überwinden, hatte er erwogen, einen Videorecorder zu kaufen. Er sah sich die Preise an und versuchte auszurechnen, ob er sich in diesem Monat einen leisten konnte. Oder sollte er sich lieber eine neue Stereoanlage kaufen? Letztlich war es doch |113| immer eher die Musik, der er sich zuwandte, wenn er sich nachts schlaflos im Bett hin- und herwälzte.
Er riß sich vom Schaufenster los und bog bei einem chinesischen Restaurant in die Fußgängerzone ein. Die Raiffeisenbank lag genau neben dem Restaurant. In der kleinen Schalterhalle befand sich ein einziger Kunde, als er durch die Glastüren eintrat. Ein Bauer, der ein Hörgerät trug und sich mit lauter und durchdringender Stimme über die hohen Zinsen beklagte. Links von ihm stand die Tür zu einem Büroraum offen, in dem ein Mann an seinem Computer saß. Wallander nahm an, daß er sich an ihn wenden mußte. Als er im Türrahmen stand, sah der Mann erschrocken auf, so als habe er in Kurt Wallander einen möglichen Bankräuber vor sich.
Er betrat den Raum und stellte sich vor.
»Wir sind nicht sehr glücklich über diese Angelegenheit«, sagte der Mann am Schreibtisch. »Während meiner Zeit bei dieser Bank haben wir noch nie mit der Polizei zu tun gehabt.«
Kurt Wallander ging die Geschäftstüchtigkeit des Mannes sofort auf die Nerven. Schweden schien ihm zu einem Land geworden zu sein, in dem die Menschen mehr als alles andere fürchteten, in ihren eigenen Angelegenheiten gestört zu werden. Nichts war ihnen heiliger als das Gewohnte.
»Es läßt sich aber leider nicht ändern«, sagte Kurt Wallander und reichte dem Mann die Papiere, die er von Anette Brolin bekommen hatte.
Der Mann las sie aufmerksam durch.
»Ist das wirklich notwendig?« fragte er anschließend. »Der Sinn eines Schließfaches ist doch immerhin, daß es vor dem Zugriff Außenstehender geschützt ist.«
»Es ist notwendig«, erwiderte Kurt Wallander. »Und ich habe leider nicht den ganzen Tag Zeit.«
Mit einem Seufzen erhob sich der Mann von seinem Schreibtisch. Kurt Wallander begriff, daß er sich auf den Besuch der Polizei in seiner Bank vorbereitet hatte.
Sie traten durch eine Gittertür und kamen in den Raum mit |114| den Schließfächern. Johannes Lövgrens Fach befand sich zuunterst in einer Ecke. Kurt Wallander schloß auf, zog das Fach heraus und stellte es auf einen Tisch.
Dann hob er den Deckel und begann, den Inhalt durchzusehen. Er fand ein paar Dokumente und Grundbucheintragungen, die den Hof in Lenarp betrafen. Außerdem ein paar alte Photographien und einen verblichenen Umschlag mit alten Briefmarken. Das war alles.
Nichts, dachte er. Absolut nichts von dem, worauf ich gehofft hatte.
Der Bankangestellte stand neben ihm und beobachtete ihn unablässig. Kurt Wallander notierte sich die Grundbuchnummer und die Namen auf den Dokumenten. Dann verschloß er das Fach wieder.
»War das alles?« wollte der Bankangestellte wissen.
»Fürs erste«, antwortete Kurt Wallander. »Jetzt möchte ich gerne seine Konten hier auf der Bank einsehen.«
Beim Hinaustreten aus dem Tresorraum fiel ihm noch etwas ein.
»Hatte außer Johannes Lövgren noch eine andere Person das Verfügungsrecht über dieses Schließfach?« fragte er.
»Nein«, antwortete der Bankangestellte.
»Wissen Sie, ob er vor kurzem sein Fach geöffnet hat?« fragte er als nächstes.
»Ich habe im Besuchsregister nachgeschaut«, antwortete der Bankangestellte. »Es muß eine ganze Reihe von Jahren her sein, daß er es zuletzt geöffnet hat.«
Der Bauer stand immer noch da und beklagte sich, als sie in die Schalterhalle zurückkehrten. Mittlerweile war er zu einem Vortrag über die
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