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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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bis morgen schlafen. Natürlich werden sie mit der Zeit begreifen, daß Martin Preuss in Wirklichkeit Kurt Wallander ist, aber dann werde ich schon nicht mehr hier sein. Er schloß die Tür zu seinem Zimmer auf, sah zu seiner Freude, daß es eine Badewanne gab, und konnte es kaum glauben, als das Wasser langsam warm wurde. Er zog sich aus und ließ sich in die Wanne gleiten. Die Wärme, die seinen Körper durchströmte, machte ihn schläfrig, und er schlummerte ein.
    Als er aufwachte, war das Wasser kalt geworden. Er stand auf, trocknete sich ab und legte sich ins Bett. Draußen ratterte |280| eine Straßenbahn vorbei. Er starrte in die Dunkelheit hinaus und spürte, wie die Angst zurückkehrte.
    Er mußte an seinem Plan festhalten. Sollte er die Kontrolle über seine Urteilskraft verlieren, würden die Spürhunde ihn schon bald einholen. Dann wäre er verloren.
    Er wußte, was er zu tun hatte.
    Am nächsten Tag würde er den einzigen Menschen in Riga aufsuchen, der ihm vielleicht noch helfen konnte, Kontakt mit Baiba Liepa aufzunehmen.
    Er wußte nicht, wie sie hieß.
    Aber er erinnerte sich, daß ihre Lippen rot waren.

|281| 16
    Kurz vor dem Morgengrauen kehrte Inese zurück.
    Sie kam ihm in einem Alptraum entgegen, in dem die Obersten in einem verdunkelten Hintergrund lauerten, wo er sie nicht ausmachen konnte. Im Traum lebte sie noch, und er versuchte sie zu warnen, aber sie hörte ihn nicht, und als er einsah, daß er ihr nicht helfen konnte, wurde er aus dem Schlaf gerissen und schlug in seinem Zimmer im Hotel »Hermes« die Augen auf.
    Seine Armbanduhr auf dem Nachttisch zeigte vier Minuten nach sechs. Unten auf der Straße fuhr eine Straßenbahn vorbei. Er streckte sich im Bett aus und fühlte sich zum ersten Mal, seitdem er Schweden verlassen hatte, ausgeruht.
    Er blieb im Bett liegen und durchlebte noch einmal, was am Tag zuvor geschehen war. Seinem ausgeruhten Bewußtsein erschien das Massaker unwirklich. Das wahllose Morden war einfach unbegreiflich. Voller Verzweiflung über Ineses Tod wußte er nicht, wie er den Gedanken ertragen sollte, daß er niemanden hatte retten können. Nicht Inese, nicht den schielenden Mann, nicht die anderen, deren Namen er nie gehört hatte.
    Seine Angst trieb ihn aus dem Bett. Kurz vor halb sieben verließ er das Zimmer, ging zur Rezeption und bezahlte. Die alte Frau mit dem freundlichen Lächeln und den unverständlichen lettischen Sätzen nahm sein Geld entgegen, und nach einer schnellen Schätzung erkannte er, daß er sich noch ein paar weitere Nächte im Hotel leisten konnte, falls dies nötig sein sollte.
    Im Morgengrauen war es kalt. Er schlug den Mantelkragen |282| hoch und beschloß, zunächst einmal zu frühstücken, ehe er seinen Plan in die Tat umsetzte. Nachdem er zwanzig Minuten durch die Straßen geirrt war, entdeckte er ein Café, das bereits geöffnet hatte. Er betrat das halbleere Lokal, bestellte Kaffee und ein paar Brote und setzte sich an einen Ecktisch, der von der Eingangstür aus nicht zu sehen war. Um halb acht hielt er es nicht länger aus. Jetzt mußte er alles auf eine Karte setzen, und wieder schoß ihm der Gedanke durch den Kopf, daß es verrückt gewesen war, nach Lettland zurückzukehren.
    Eine halbe Stunde später stand er vor dem Hotel »Latvija«, wo Sergeant Zids immer mit dem Wagen auf ihn gewartet hatte. Einen Augenblick zögerte er. War er nicht doch zu früh dran? Vielleicht war die Frau mit den roten Lippen noch gar nicht gekommen? Dann trat er durch die Tür, warf einen Blick zur Rezeption, wo einige frühe Gäste gerade ihre Rechnungen bezahlten, ging an der Sitzgruppe vorbei, auf der seine Beschatter hinter ihren Zeitungen versteckt gesessen hatten, und entdeckte dann die Frau an ihrem Platz hinter dem Verkaufstisch. Sie öffnete gerade. Gewissenhaft legte sie verschiedene Zeitungen vor sich aus. Was passiert, wenn sie mich nicht wiedererkennt, überlegte er. Vielleicht ist sie nur eine Vermittlerin, die den Inhalt der Botschaften nicht kennt, die sie überbringt?
    In dem Moment entdeckte sie ihn, wie er da neben einer der hohen Säulen in der Eingangshalle stand. Er sah, daß sie ihn sofort wiedererkannte und keine Angst hatte. Er ging zu ihrem Tisch, streckte die Hand aus und erklärte mit lauter Stimme auf englisch, daß er Ansichtskarten kaufen wollte. Um ihr Zeit zu geben, sich an sein plötzliches Auftauchen zu gewöhnen, setzte er seine Konversation fort. Hatte sie vielleicht Ansichtskarten vom
alten
Riga? Er stellte fest,

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