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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Ihr Vater?« fragte Wallander.
    »Er hat einen merkwürdigen Namen«, antwortete Vera. »Er heißt Antons. Er ist sechsundsiebzig und hat Probleme mit dem Wasserlassen. Sein ganzes Leben lang hat er als Vorarbeiter in einer Druckerei gearbeitet. Man sagt, daß alte Setzer an einer Bleivergiftung leiden können, die sie zerstreut und abwesend macht. Manchmal ist er wie weggetreten. Vielleicht hat die Krankheit auch ihn eingeholt?«
    Sie saßen wieder auf dem Bett in ihrem Schlafzimmer, und sie hatte den Türvorhang zugezogen. Die Mädchen flüsterten und kicherten in der Kochnische, und er wußte, daß der entscheidende Augenblick gekommen war.
    »Erinnern Sie sich an die Kirche, in der Sie Baiba während eines Orgelkonzerts getroffen haben?« fragte sie. »Die Gertrudkirche?«
    Er nickte, er erinnerte sich.
    »Glauben Sie, daß Sie dorthin zurückfinden können?«
    »Nicht von hier aus.«
    »Aber vom Hotel ›Latvija‹? Vom Stadtzentrum?«
    »Das kann ich.«
    »Ich kann Sie nicht in die Stadt begleiten. Das ist zu gefährlich. |288| Aber es hat wohl niemand Verdacht geschöpft, daß Sie bei mir sind. Sie müssen allein mit dem Bus ins Zentrum zurückfahren. Steigen Sie nicht an der Haltestelle vor dem Hotel aus. Steigen Sie früher oder später aus. Suchen Sie die Kirche, und warten Sie bis zehn Uhr. Erinnern Sie sich an die Hintertür zum Kirchhof, durch die Sie die Kirche beim letzten Mal verlassen haben?«
    Wallander nickte. Er glaubte sich zu erinnern.
    »Gehen Sie dort hinein, wenn Sie sicher sind, daß es niemand sieht. Warten Sie dort. Wenn Baiba kann, kommt sie.«
    »Wie haben Sie Baiba erreicht?«
    »Ich habe sie angerufen.«
    Wallander sah sie ungläubig an.
    »Das Telefon wird doch sicher abgehört?«
    »Natürlich wird es abgehört. Ich habe angerufen und gesagt, daß ein von ihr bestelltes Buch jetzt angekommen sei. Da wußte sie, daß sie in eine Buchhandlung gehen und nach einem bestimmten Buch fragen sollte. Dort hatte ich einen Brief hinterlassen, in dem stand, daß Sie gekommen und jetzt bei mir sind. Daraufhin bin ich in das Geschäft gegangen, in dem ein Nachbar Baibas immer einkauft. Dort lag ein Brief von Baiba, in dem sie mitteilte, daß sie versuchen würde, heute abend in die Kirche zu kommen.«
    »Und wenn es ihr nicht gelingt?«
    »Dann kann ich Ihnen nicht mehr weiterhelfen. Sie können auch nicht hierher zurückkehren.«
    Wallander sah ein, daß sie recht hatte. Es war seine einzige Chance, Baiba Liepa wiederzusehen. Wenn der Versuch mißlang, konnte er nichts anderes tun, als die schwedische Vertretung aufzusuchen, um dort Hilfe für seine Ausreise zu erbitten.
    »Wissen Sie, wo hier die Schwedische Botschaft ist?«
    Sie dachte nach, bevor sie antwortete.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob Schweden hier überhaupt eine Botschaft hat«, sagte sie schließlich.
    |289| »Aber ein Konsulat muß es doch wenigstens geben?«
    »Ich weiß leider nicht, wo.«
    »Es muß im Telefonbuch stehen. Schreiben Sie die lettischen Bezeichnungen für Schwedische Botschaft und Schwedisches Konsulat auf. Ein Telefonbuch muß in einem Restaurant zu finden sein. Schreiben Sie auch das lettische Wort für Telefonbuch auf.«
    Sie schrieb alles auf einen Zettel, den sie aus einem Schreibheft der Mädchen riß, und brachte ihm bei, die Worte richtig auszusprechen.
     
    Zwei Stunden später verabschiedete er sich von Vera und ihrer Familie und machte sich auf den Weg. Sie hatte ihm ein altes Hemd und einen Schal ihres Vaters gegeben, damit er noch einmal sein Aussehen verändern konnte. Er fragte sich, ob er sie jemals wiedersehen würde, und merkte, daß er diese Menschen bereits vermißte.
    Die tote Katze lag wie ein schlechtes Omen vor seinen Füßen, als er zur Bushaltestelle ging. Vera hatte ihm etwas Kleingeld gegeben, mit dem er die Fahrkarte bezahlen sollte.
    Als er in den Bus gestiegen war, hatte er das Gefühl, wieder überwacht zu werden. Am Abend fuhren nicht viele Menschen in die Stadt, und er hatte sich in die hinterste Reihe gesetzt, so daß er alle Rücken vor sich hatte. Er warf ab und zu einen Blick durch die dreckige Heckscheibe des Busses, konnte aber kein Auto erkennen, das ihnen folgte.
    Trotzdem sagte ihm sein Instinkt, das etwas nicht stimmte. Der Gedanke, daß sie ihn nun gefunden hatten und verfolgten, ließ ihm keine Ruhe. Er überlegte, was er tun sollte. Er hatte ungefähr fünfzehn Minuten Zeit, einen Entschluß zu fassen. Wo sollte er aussteigen, wie sollte er eventuelle Verfolger

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