Wallander 02 - Hunde von Riga
Namen.
»Was, zum Teufel, kann passiert sein«, murmelte er. »Wer sind sie? Wie lange treiben sie hier schon? In Anzug und Krawatte?«
»Wie weit ist es bis Ystad?« fragte Jakobsson.
»Gut sechs Seemeilen.«
»Wir können sie ein wenig näher zur Küste schleppen«, sagte Jakobsson. »Damit sie irgendwo an Land treiben und gefunden werden.«
Holmgren dachte nach. Es widerstrebte ihm, sie einfach zu |10| verlassen, das konnte er nicht leugnen. Aber es war ein Risiko, das Boot ins Schlepptau zu nehmen. Sie konnten von einer Fähre oder einem Frachter gesehen werden.
Er wägte das Für und Wider ab.
Dann entschloß er sich schnell. Er machte eine Fangleine los, beugte sich über die Reling und vertäute das Boot. Jakobsson änderte den Kurs in Richtung Ystad, und Holmgren spannte die Leine, als das Boot etwa zehn Meter hinter dem Fischerboot lag und nicht mehr in der Welle der Schiffsschraube war.
Als sie die schwedische Küste erkennen konnten, kappte Holmgren die Fangleine. Das Boot mit den toten Männern verschwand in kürzester Zeit weit hinter dem Fischerboot. Jakobsson drehte den Kurs auf Ost, und einige Stunden später liefen sie in den Hafen von Brantevik ein. Jakobsson bekam seine Fünftausend, setzte sich in seinen Volvo und fuhr heim nach Svarte. Holmgren verriegelte das Ruderhaus und legte eine Persenning über die Ladeluke. Der Hafen war menschenleer, und langsam und methodisch kontrollierte er die einzelnen Trossen. Dann nahm er die Tasche mit dem Geld und ging zu seinem alten Ford, der nur zögernd ansprang.
Normalerweise hätte er sich nun in die Ferne geträumt, nach Porto Santo. Aber heute schaukelte das rote Rettungsboot vor seinem inneren Auge. Er versuchte sich auszurechnen, wo das Boot die Küste erreichen würde. Die Strömungen waren unberechenbar und wechselten ständig. Der Wind war böig und drehte in unterschiedliche Richtungen. Er kam zu dem Schluß, daß das Boot im Grunde überall entlang der Küste an Land treiben konnte. Trotzdem ging er davon aus, daß es irgendwo in der Nähe von Ystad an Land kommen würde. Falls es nicht schon vorher von der Besatzung oder den Passagieren auf einer der vielen Fähren nach Polen entdeckt wurde.
Es dämmerte schon, als er nach Ystad hineinfuhr. An der Ecke zum Hotel »Continental« hielt er an einer roten Ampel.
|11| Zwei Männer in Anzug und Krawatte, dachte er. In einem Boot? Irgend etwas stimmte da nicht. Irgend etwas hatte er gesehen, ohne weiter darüber nachzudenken. Als die Ampel auf Grün schaltete, fiel es ihm ein. Die beiden Männer waren nicht nach einem Seeunglück in dieses Rettungsboot gestiegen. Sie waren bereits tot, als sie dort landeten. Er konnte es nicht beweisen, konnte nicht einmal Argumente dafür finden. Und doch wußte er es. Die beiden Männer waren tot in das Boot gelegt worden.
Einer blitzschnellen Eingebung folgend, traf er seine Entscheidung. Er bog rechts ab und hielt an der Telefonzelle gegenüber der Buchhandlung am Marktplatz. Er überlegte sich genau, was er sagen würde. Dann wählte er die Nummer der Notrufzentrale und verlangte die Polizei. Als jemand am anderen Ende antwortete, sah er durch die schmutzige Scheibe der Telefonzelle, daß es wieder begonnen hatte zu schneien.
Es war der 12. Februar 1991.
|12| 2
Hauptkommissar Kurt Wallander saß in seinem Büro im Polizeipräsidium von Ystad und gähnte. Er gähnte dermaßen, daß sich plötzlich ein Muskel unter seinem Kinn verkrampfte. Es tat höllisch weh. Um den Krampf wieder zu lösen, begann er, mit den Knöcheln der rechten Hand gegen die Unterseite des Kinns zu schlagen. Im gleichen Moment betrat Martinsson, einer der jüngeren Polizisten des Distrikts, den Raum. Verblüfft blieb er in der Tür stehen. Kurt Wallander bearbeitete den Muskel so lange, bis der Schmerz abgeklungen war. Martinsson machte kehrt, um wieder zu gehen.
»Komm rein«, sagte Wallander. »Hast du noch nie so gegähnt, daß du einen Krampf bekommen hast?«
Martinsson schüttelte den Kopf.
»Nein«, antwortete er. »Ich muß gestehen, daß ich mich ernsthaft gefragt habe, was du da machst.«
»Jetzt weißt du es«, meinte Wallander. »Warum bist du gekommen?«
Martinsson setzte sich auf einen Stuhl und verzog das Gesicht. In der Hand hielt er einen Notizblock.
»Vor ein paar Minuten haben wir einen merkwürdigen Anruf erhalten«, begann er. »Ich wollte deine Meinung dazu hören.«
»Bei uns gehen doch täglich merkwürdige Anrufe ein«, erwiderte
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