Wallander 03 - Die weisse Löwin
daß Mama fort ist und daß Sie nach ihr suchen.«
Wallander nickte und versuchte zu lächeln, obwohl er einen Kloß im Hals hatte. »Ich heiße Kurt«, sagte er, auch an Robert Åkerblom gewandt. »Und wie heißt ihr?«
»Maria und Magdalena«, antworteten die Mädchen im Duett.
»Das sind feine Namen«, sagte Wallander. »Ich habe auch eine Tochter; sie heißt Linda.«
»Sie werden heute bei meiner Schwester sein«, sagte Robert Åkerblom. »Sie kommt bald und holt sie. Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?«
»Gern«, sagte Wallander.
Er legte den Mantel ab, zog die Schuhe aus und ging in die Küche. Die beiden Mädchen standen in der Tür und schauten ihm zu.
Wo fange ich an? dachte Wallander. Und wird er verstehen, daß ich jeden Schrank öffnen und in all ihren Papieren blättern muß?
Die beiden Mädchen wurden abgeholt, und Wallander trank seinen Tee.
»Um zehn halten wir eine Pressekonferenz ab«, sagte er. »Das bedeutet, daß wir den Namen Ihrer Frau öffentlich nennen und an alle appellieren, die sie gesehen haben können, sich zu melden. Das bedeutet natürlich auch, daß wir nicht mehr ausschließen können, daß es sich um ein Verbrechen handelt.«
Wallander hatte sich vorgestellt, daß Robert Åkerblom zusammenbrechen könnte und anfangen würde zu weinen. Aber der bleiche, hohläugige Mann, tadellos in Anzug und Schlips gekleidet, schien an diesem Morgen gefaßt zu sein.
»Wir müssen weiter glauben, daß alles seine natürliche Erklärung erfährt«, sagte Wallander. »Aber wir können anderes nicht länger ausschließen.«
»Ich verstehe«, sagte Robert Åkerblom. »Ich habe es längst verstanden.«
|66| Wallander schob die Teetasse von sich, dankte und erhob sich. »Ist Ihnen noch etwas eingefallen, was ich wissen sollte?« fragte er.
»Nein«, antwortete Robert Åkerblom. »Es ist ganz unerklärlich.«
»Am besten, wir gehen gemeinsam durchs Haus«, schlug Wallander vor. »Ich hoffe, Sie verstehen, daß ich ihre Kleider, Schubladen, alles, was von Bedeutung sein kann, durchsuchen muß.«
»Sie hat ihre Sachen in Ordnung«, erwiderte Robert Åkerblom.
Sie begannen im Obergeschoß und arbeiteten sich hinab bis zum Keller und zur Garage. Wallander fiel auf, daß Louise Åkerblom lichte Pastellfarben besonders mochte. Nirgends sah er dunkle Gardinen oder Tischdecken. Das Haus atmete Lebensfreude. Die Möblierung bot eine Mischung aus Alt und Neu. Bereits beim Teetrinken hatte er festgestellt, daß die Küche gut ausgerüstet war. Ihr materielles Leben war eindeutig nicht von übertriebener Sparsamkeit bestimmt.
»Ich müßte für eine Weile ins Büro«, sagte Robert Åkerblom, als sie ihren Rundgang beendet hatten. »Ich nehme an, daß ich Sie jetzt allein lassen kann.«
»Das geht in Ordnung«, sagte Wallander. »Ich warte mit meinen Fragen, bis Sie zurückkommen. Oder ich rufe an. Kurz vor zehn muß ich zum Polizeigebäude wegen der Pressekonferenz.«
»Bis dahin bin ich zurück«, sagte Robert Åkerblom.
Als Wallander allein war, begann er mit seiner methodischen Durchsuchung des Hauses. Er öffnete Schubladen und Schränke in der Küche, schaute in Kühlschrank und Gefrierfach.
Über etwas in der Küche wunderte er sich. In einem Fach unter dem Spültisch entdeckte er einen umfangreichen Schnapsvorrat; das paßte nicht zu dem Bild, das er sich von der Familie Åkerblom gemacht hatte.
Als nächstes war das Wohnzimmer dran, doch er fand nichts Bemerkenswertes. Dann stieg er ins Obergeschoß hinauf. Das Zimmer der Mädchen ließ er aus. Zuerst widmete er sich dem Bad, studierte die Beschriftungen der Medikamente und machte |67| sich einige Notizen. Er stellte sich auf die Personenwaage und grinste, als er das Ergebnis sah. Dann nahm er sich das Schlafzimmer vor. Er fühlte sich immer unbehaglich, wenn er die Kleider einer Frau durchsuchte. Es war, als ob er von jemandem beobachtet wurde, ohne es zu wissen. Er durchstöberte Taschen und Pappkartons in den Kleiderschränken. Dann kam die Kommode an die Reihe, in der Louise ihre Unterwäsche aufbewahrte. Er fand nichts, was ihn verwirrte, nichts, was ihm etwas sagte, was er nicht schon wußte. Als er fertig war, setzte er sich auf die Bettkante und schaute sich im Zimmer um.
Nichts, dachte er. Absolut nichts.
Er seufzte und ging in den nächsten Raum, ein häusliches Büro. Er setzte sich an den Schreibtisch und zog ein Schubfach nach dem anderen auf. Er vertiefte sich in Fotoalben und Briefbündel. Er entdeckte kein einziges
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