Wallander 03 - Die weisse Löwin
Foto, auf dem Louise Åkerblom nicht lächelte oder lachte.
Er legte alles wieder ordentlich in die Fächer zurück und machte weiter. Deklarationen und Versicherungspapiere, Schulzeugnisse und Maklerbescheinigungen, nichts, was ihn reagieren ließ.
Erst als er das unterste Schubfach im letzten Seitenteil des Schreibtischs öffnete, erlebte er eine Überraschung. Zunächst glaubte er, daß der Kasten nur weißes Schreibpapier enthielt. Als er jedoch den Boden abtastete, stießen seine Finger auf einen Gegenstand aus Metall. Er zog ihn hervor und blieb mit gerunzelter Stirn sitzen.
Es handelte sich um ein Paar Handschellen. Keine Attrappen zum Spielen, sondern richtige Handschellen. Hergestellt in England.
Er legte sie vor sich auf den Tisch.
Das muß nichts bedeuten, dachte er. Aber sie waren sorgfältig versteckt. Und ich frage mich, ob Robert Åkerblom sie nicht an sich genommen hätte, wenn er von ihrer Existenz gewußt hätte.
Er schob das Fach wieder zu und steckte die Handschellen in die Tasche.
Dann waren die Kellerräume und die Garage an der Reihe. Auf |68| einem Regal über einer kleinen Hobelbank fand er einige mit Geschick gebastelte Flugmodelle aus Balsaholz. Er stellte sich Robert Åkerblom vor. Vielleicht hatte er einst den Traum gehabt, Pilot zu werden?
Von fern klingelte ein Telefon. Er beeilte sich und nahm den Hörer ab.
Es war inzwischen neun Uhr.
»Ich würde gern mit Kriminalkommissar Wallander sprechen«, hörte er Martinsson sagen.
»Am Apparat«, sagte Wallander.
»Am besten, du kommst her«, sagte Martinsson. »Sofort.«
Wallander spürte, wie sein Herz schneller zu schlagen begann. »Habt ihr sie gefunden?« fragte er.
»Nein«, antwortete Martinsson. »Weder sie noch den Wagen. Aber ein Haus in der Nähe fing plötzlich an zu brennen. Oder besser gesagt, es explodierte. Ich dachte, es könnte da einen Zusammenhang geben.«
»Ich komme«, sagte Wallander.
Er schrieb eine Mitteilung an Robert Åkerblom und legte den Zettel auf den Küchentisch.
Auf dem Weg nach Krageholm versuchte er zu verstehen, was Martinsson eigentlich gemeint hatte. Ein Haus war explodiert? Aber welches Haus?
Er überholte drei Lastzüge hintereinander. Der Regen war so stark geworden, daß es die Scheibenwischer kaum noch schaffen konnten.
Kurz vor der gesplitterten Eiche ließ der Regen etwas nach, und eine schwarze Rauchfahne zeigte sich über den Bäumen. An der Eiche wartete ein Polizeiauto auf ihn. Einer der Polizisten machte ihm ein Zeichen, er solle wenden. Als sie von der Hauptstraße abbogen, erkannte Wallander, daß es sich um die Abfahrt handelte, die er am Tag zuvor fälschlicherweise gewählt hatte, also um den Weg mit den meisten Reifenspuren.
Noch etwas anderes war an diesem Weg bemerkenswert, aber er kam nicht so schnell darauf, was es war.
Als sie die Brandstelle erreichten, erinnerte er sich an das Haus. Es lag zur Linken, vom Weg aus kaum zu sehen. Die Feuerwehr |69| war bereits bei den Löscharbeiten. Wallander stieg aus dem Auto und spürte sofort die Wärme des Feuers. Martinsson kam ihm entgegen.
»Menschen?« fragte Wallander.
»Keine«, antwortete Martinsson. »Soweit wir wissen. Es ist ganz und gar unmöglich, da hineinzukommen. Die Hitze ist enorm. Alles muß gleichzeitig angezündet worden sein. Das Haus stand über ein Jahr leer, seit der Besitzer gestorben ist. Ein Bauer kam her und hat es mir erzählt. Die Erben haben sich offenbar nicht entscheiden können, ob sie vermieten oder verkaufen wollen.«
»Weiter«, forderte Wallander ihn auf, während er die mächtige Rauchwolke betrachtete.
»Ich war draußen auf der Hauptstraße«, fuhr Martinsson fort. »Eine der Suchketten des Militärs war in Unordnung geraten. Plötzlich knallte es. Es war wie eine Bombenexplosion. Erst glaubte ich, ein Flugzeug sei abgestürzt. Dann sah ich den Rauch. Ich habe bis hierher höchstens fünf Minuten gebraucht. Alles brannte. Nicht nur das Wohnhaus, sondern auch die Scheune.«
Wallander versuchte nachzudenken. »Eine Bombe«, sagte er. »Kann es eine Gasleitung gewesen sein?«
Martinsson schüttelte den Kopf.
»Nicht einmal zwanzig Gasrohre hätten eine solche Detonation erzeugen können«, sagte er. »Die Obstbäume auf der Rückseite des Hauses sind umgebrochen. Wenn sie nicht sogar mit den Wurzeln aus der Erde gerissen wurden. Das war kein Zufall.«
»In der Gegend wimmelt es von Polizei und Militär«, sagte Wallander. »Nicht gerade eine günstige Gelegenheit für eine
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