Wallander 03 - Die weisse Löwin
herunterzukommen.
Wallander steckte das Telefon wieder in die Halterung und fuhr in Richtung Ystad. Regenschauer peitschten gegen die Windschutzscheibe.
Er suchte, bis er Robert Åkerbloms Adresse fand. Es war ein Häuschen, das aussah wie tausend andere auch. Im Erdgeschoß brannte Licht.
Bevor er ausstieg, lehnte er sich im Sitz zurück und schloß die Augen.
Sie ist nie angekommen, dachte er.
Was ist unterwegs geschehen?
Irgend etwas stimmt ganz und gar nicht an diesem Verschwinden.
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Der Wecker an Kurt Wallanders Bett klingelte um Viertel vor fünf.
Er stöhnte und zog das Kopfkissen über das Gesicht.
Ich schlafe viel zu wenig, dachte er resigniert. Warum kann ich bloß nicht abschalten, wenn ich nach Hause komme.
Er blieb liegen und ließ in Gedanken noch einmal den Besuch bei Robert Åkerblom am vergangenen Abend ablaufen. Es war eine Qual gewesen, sein flehendes Gesicht zu sehen und nur sagen zu können, daß es ihnen nicht gelungen war, seine Frau zu finden. Kurt Wallander hatte das Haus möglichst bald verlassen und sich gar nicht wohl gefühlt, als er in seine Wohnung kam. Dann hatte er bis um drei schlaflos gelegen, obwohl er müde war und an der Grenze zur allgemeinen Erschöpfung.
Wir müssen sie finden, dachte er. Jetzt, bald. Tot oder lebendig. Nur finden müssen wir sie.
Er hatte mit Robert Åkerblom vereinbart, daß er sich am Vormittag wieder melden würde, sobald die Suche weiterging. Wallander wußte, daß er Louise Åkerbloms persönliche Sachen durchgehen mußte, um herauszufinden, wer sie war. Irgendwo in Wallanders Kopf kreiste unentwegt das Gefühl, daß etwas an ihrem Verschwinden mehr als sonderbar war. Die meisten Vermißtenfälle hatten eigenartige Begleitumstände. Aber diesmal gab es etwas, was sich von seinen früheren Erfahrungen unterschied, und er wollte wissen, was es war.
Wallander quälte sich aus dem Bett, setzte Kaffee auf und wollte das Radio anstellen. Als er sich an den Einbruch erinnerte, fluchte er. Ihm war klar, daß er unter den jetzigen Umständen keine Zeit haben würde, sich um diese Ermittlung zu kümmern.
Er duschte, zog sich an und trank Kaffee. Das Wetter war nicht geeignet, seine Laune zu verbessern. Es regnete anhaltend, und der Wind war stärker geworden. Es war das denkbar schlechteste Wetter für eine Suchaktion. Müde und mißgelaunte Polizisten, Hunde mit herunterhängenden Schwänzen und wütende Rekruten aus |64| dem Regiment würden an diesem Tag die Felder und Wälder rund um Krageholm füllen. Aber das war Björks Sache. Er selbst würde sich mit Louise Åkerbloms persönlicher Habe beschäftigen.
Er setzte sich ins Auto und fuhr hinaus zu der gesplitterten Eiche.
Björk lief am Straßenrand unruhig auf und ab. »Was für ein Wetter«, sagte er. »Immer muß es regnen, wenn man draußen unterwegs ist und Vermißte sucht.«
»Ja«, sagte Wallander, »das ist seltsam.«
»Ich habe mit einem Oberstleutnant Hernberg gesprochen«, fuhr Björk fort. »Er schickt um sieben zwei Busse mit Rekruten. Aber ich denke, wir können am besten schon jetzt mit der Suche beginnen. Martinsson hat alles vorbereitet.«
Wallander nickte zufrieden. Martinsson verstand es, eine Suchaktion zu organisieren.
»Ich würde gern um zehn eine Pressekonferenz abhalten«, sagte Björk. »Es wäre gut, wenn du dabei bist. Bis dahin brauchen wir ein Foto von ihr.«
Wallander gab ihm das Bild aus seiner Jackentasche. Björk betrachtete das Gesicht Louise Åkerbloms. »Süßes Mädchen«, sagte er. »Hoffentlich finden wir sie lebend. Ist es ähnlich?«
»Ihr Mann behauptet es.«
Björk steckte das Foto in eine Plastikhülle, die er in einer Tasche seines Regenmantels aufbewahrte.
»Ich fahre zu ihrem Haus«, sagte Wallander. »Ich glaube, dort kann ich nützlicher sein.«
Björk nickte. Als Wallander sich seinem Wagen zuwenden wollte, legte ihm Björk die Hand auf die Schulter. »Was glaubst du?« fragte er. »Ist sie tot? Haben wir es mit einem Verbrechen zu tun?«
»Eine andere Möglichkeit kommt kaum noch in Frage«, antwortete Wallander. »Wenn sie nicht irgendwo verunglückt ist. Aber daran glaube ich eigentlich nicht.«
»Das ist gar nicht gut«, sagte Björk. »Gar nicht gut.«
Wallander fuhr nach Ystad zurück. Das graue Meer trug weiße Schaumkronen.
|65| Als er in das Häuschen am Akarväg kam, sahen ihn zwei Mädchen mit ernsten Augen an.
»Ich habe ihnen gesagt, daß Sie von der Polizei sind«, sagte Robert Åkerblom. »Sie wissen,
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