Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
angeboten. Wallander merkte schnell, daß Harderberg der geborene Händler war. Er kaufte und verkaufte, was andere herstellten. Er schuf keine neuen Produkte, seine Kunst bestand darin, billig zu kaufen und teuer zu verkaufen, also dort Werte zu entdecken, wo kein anderer sie sah. Bereits im Alter von vierzehn Jahren hatte er erkannt, daß es einen Markt für alte Autos gab. Er war in der Umgebung von Vimmerby herumgeradelt, hatte in Gärten und Höfe geschaut und die ausrangierten, halb überwucherten Fahrzeuge aufgekauft. Oftmals hatte man ihm die Wracks gratis überlassen – wer konnte schon einem unschuldigen Jungen etwas abschlagen, der sich wegen seiner Leidenschaft für Schrottwagen so fleißig auf den Landstraßen abstrampelte. Geduldig hatte er jede Krone gespart, die |251| er nicht zum Betrieb seines Geschäftskarussells benötigte. Als er siebzehn war, setzte er sich in den Zug nach Stockholm. Er ließ sich von einem wenige Jahre älteren Kameraden begleiten, der ein erstaunlich geschickter Bauchredner war. Alfred Harderberg hatte die Fahrkarte dieses Freundes bezahlt und sich selbst zu dessen Manager ernannt. Er schien seine lächelnde Liebenswürdigkeit also bereits damals zu einer gewissen Perfektion entwickelt zu haben. Aufmerksam las Wallander eine Reportage im
Bildjournal
, einer Zeitung, an die er sich vage zu erinnern glaubte. Der Verfasser erwähnte mehrfach die elegante Kleidung, die guten Manieren und das freundliche Lächeln des jungen Managers. Doch schon damals war Harderberg offenbar kamerascheu gewesen, denn die Fotos zeigten stets nur den Bauchredner und niemals seinen Begleiter. Aus dem Artikel ging ebenfalls hervor, daß Harderberg in Stockholm so schnell wie möglich seinen småländischen Dialekt loswerden wollte, weshalb er sogar Geld in einen Sprachpädagogen investierte. Bald schickte er den Bauchredner wieder zurück in die Provinz und in die Anonymität und stürzte sich selbst auf neue Projekte. Bereits Ende der 60er Jahre galt er als Millionär, Mitte der 70er Jahre kam dann der Erfolg auf der ganzen Linie. Durch eine Serie erfolgreicher Immobilien- und Aktienspekulationen, sowohl in Schweden als auch im Ausland, war sein Vermögen dramatisch gewachsen. Wallander registrierte, daß auch der Beginn der ausgedehnten Geschäftsreisen in alle Welt in diese Zeit fiel. Lange hatte er in Simbabwe beziehungsweise Südrhodesien, wie es damals hieß, zugebracht, wo er zusammen mit einem gewissen Tiny Rowland erfolgreich in Kupfer- und Goldgruben spekuliert hatte. Wallander vermutete, daß dabei auch die Teeplantagen in Harderbergs Besitz gelangt waren.
Anfang der 80er Jahre heiratete Alfred Harderberg eine Brasilianerin namens Carmen Dulce da Silva. Die Ehe wurde kinderlos geschieden. Und immer hatte es Harderberg verstanden, nahezu unsichtbar zu bleiben, sich hinter reinen Geschäften zu verstecken. Nie war er selbst anwesend, wenn seine Schenkungen an Krankenhäuser und ähnliche Einrichtungen |252| offiziell übergeben wurden. Statt dessen schrieb er Briefe, in denen er sich demütig für die ihm erwiesenen Freundlichkeiten bedankte. Auch seine Ehrendoktortitel nahm er nie selbst in Empfang, weder die Hüte noch die Diplome.
Sein ganzes Leben war eine einzige Abwesenheit, dachte Wallander. Bevor er eines Tages in Schonen auftauchte, war eigentlich niemandem bekannt gewesen, wo er sich gerade aufhielt. Er hatte ständig den Wohnsitz gewechselt, war in Autos mit getönten Scheiben durch die Gegend gefahren oder in seinem Privatflugzeug unterwegs gewesen.
Es gab jedoch einige Ausnahmen. Eine schien immer überraschender und wichtiger als die nächste. Frau Dunér hatte im Gespräch mit Ann-Britt Höglund erzählt, die erste Begegnung von Alfred Harderberg und Gustaf Torstensson habe im Hotel Continental in Ystad stattgefunden. Harderberg war anschließend von dem alten Anwalt als liebenswert beschrieben worden; er sei sehr geschmackvoll gekleidet und auffallend sonnengebräunt gewesen.
Warum wollte Harderberg den Anwalt in einem Hotel treffen, wenn andererseits bekannte Wirtschaftsjournalisten manchmal Jahre warten mußten, um in seine Nähe zu gelangen? Hatte das etwas zu bedeuten? Wechselte er manchmal die Spur, um die Verwirrung zu erhöhen?
Unsicherheit kann ein Versteck sein, dachte Wallander. Die Öffentlichkeit soll wissen, daß es ihn gibt, aber nicht, wo.
Um zwölf Uhr ging Wallander nach Hause und machte sich etwas zu essen. Punkt halb zwei war er zurück im Büro. Als
Weitere Kostenlose Bücher