Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
erwähnt haben, daß er für Harderberg arbeitet. Vielleicht ging Lars Borman davon aus, daß der Anwalt über ein genauso ausgeprägtes Rechtsgefühl verfügte wie er selbst, und sah in ihm einen rettenden Engel. Aber Gustaf Torstensson unternahm nichts. Drohbriefe kann man wohl auf verschiedene Art interpretieren.«
»Kann man das? Drohbriefe sind doch Drohbriefe, oder?«
»Nun, man kann sie ernst nehmen oder auch nicht. Vielleicht denken wir falsch, vielleicht hat Gustaf Torstensson sie überhaupt nicht ernst genommen. Sie wurden nicht registriert, er hat sich weder an die Polizei noch an die Anwaltskammer gewandt – er hat sie lediglich im Schreibtisch versteckt. Manchmal ist es am aufregendsten, das am wenigsten Dramatische einer Handlung zu entdecken. Daß Sonja Lundin nicht erwähnt wurde, lag vielleicht einfach daran, daß Lars Borman nichts von ihrer Existenz wußte.«
Wallander nickte. »Nicht schlecht. Deine Spekulationen sind nicht schlechter als andere, im Gegenteil. Nur eine Erklärung wird damit nicht geliefert – weder für den Mord an Lars Borman noch für den an Gustaf Torstensson. In beiden Fällen handelt es sich doch um getarnte Hinrichtungen.«
»Eigentlich hast du die Erklärung gerade formuliert, indem du feststellst, daß sich die Fälle gleichen.«
Wallander dachte nach. »Vielleicht. Wenn wir davon ausgehen, daß Gustaf Torstensson sich bereits aus irgendeinem Grund in Alfred Harderbergs Augen verdächtig gemacht hatte. Eventuell stand er schon unter Beobachtung. Dann wäre Frau Dunér das nächste Glied in der Kette.«
»Genau das denke ich auch.«
Wallander stand auf. »Nichts davon können wir beweisen.«
»Noch nicht«, sagte sie.
»Wir haben nicht viel Zeit«, sagte Wallander. »Ich fürchte, |256| daß Per Åkeson uns bald stoppen und ein breiteres Vorgehen fordern wird, wenn wir nichts Konkretes vorweisen können. Gehen wir davon aus, daß wir einen Monat haben, um uns auf unsere Hauptspur zu konzentrieren – Alfred Harderberg.«
»Das reicht vielleicht«, meinte Ann-Britt Höglund aufmunternd.
»Gerade heute habe ich einen schlechten Tag«, sagte Wallander. »Ich denke immer, daß die ganze Ermittlung zur Hölle geht. Deshalb ist für mich so wichtig, was du sagst. Kriminalisten, die im Glauben an den Erfolg schwankend werden, haben im Polizeikorps nichts verloren.«
Sie gingen hinaus, um Kaffee zu holen. Auf dem Flur blieben sie stehen.
»Das Flugzeug«,sagte Wallander.»Was wissen wir darüber?«
»Nicht viel. Harderberg besitzt einen Gulfstream Jet, Baujahr 1974. Der schwedische Heimatflughafen ist Sturup, die Wartungen werden in Deutschland vorgenommen, genauer gesagt in Bremen. Alfred Harderberg hat zwei Piloten angestellt. Der eine, Karl Heider, stammt aus Österreich, wohnt in Svedala und ist schon viele Jahre bei Harderberg beschäftigt. Der andere, Luiz Manshino, kommt ursprünglich von der Insel Mauritius. Er arbeitet noch nicht lange für Harderberg; er hat eine Wohnung in Malmö.«
»Wer hat dir denn all diese Informationen gegeben?«
»Ich habe gesagt, ich sei Journalistin und arbeite an einem Artikel über die Privatflugzeuge schwedischer Manager. Man verwies mich an den P R-Verantwortlichen des Flugplatzes. Ich glaube, Harderberg wird keinen Verdacht schöpfen, wenn er davon erfährt. Natürlich konnte ich nicht nach eventuell archivierten Logbüchern fragen, die darüber Aufschluß geben könnten, wann und wohin er unterwegs war.«
»Die Piloten interessieren mich. Menschen, die so viel Zeit miteinander verbringen, müssen ein spezielles Verhältnis zueinander entwickeln. Bestimmt wissen sie viel voneinander. Muß nicht auch immer eine Stewardeß an Bord sein? Aus Sicherheitsgründen?«
»Offenbar nicht.«
|257| »Wir müssen versuchen, an die Piloten heranzukommen. Und eine Möglichkeit finden, die Flugdokumentationen auszuwerten.«
»Ich verfolge die Sache gern weiter, und ich werde dabei möglichst unauffällig vorgehen.«
»Tu das, aber beeil dich. Die Zeit rennt uns davon.«
Am selben Nachmittag versammelte Wallander seine Ermittlungsgruppe. Björk war nicht dabei, er leitete im Konferenzraum ein Treffen mehrerer Polizeichefs des Bezirks. Als Ann-Britt Höglund über ihre Begegnung mit Frau Borman und den Kindern berichtet hatte, erzählte Wallander von seiner Reise nach Schloß Farnholm und dem Gespräch mit Alfred Harderberg. Die Kollegen hörten gespannt zu. Jeder schien zu versuchen, in dem Gesagten eine Spur zu entdecken, die
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