Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
Wallander entgangen war.
»Mein Gefühl hat sich noch verstärkt, daß die Mordfälle und die anderen Geschehnisse auf Alfred Harderbergs Konto gehen«, schloß Wallander. »Doch auf mein Gefühl können wir uns nicht verlassen. Noch haben wir keine Ergebnisse; wir können uns ebensogut getäuscht haben.«
»Wovon könnten wir sonst ausgehen?« fragte Svedberg.
»Es bleibt immer die Möglichkeit, nach einem Verrückten zu suchen«, sagte Martinsson.
»Ein Verrückter ist nicht so kaltblütig«, sagte Ann-Britt Höglund. »Alles wirkt so geplant. Es deutet absolut nichts auf einen Verrückten hin.«
»Wir müssen jedenfalls weiterhin vorsichtig sein«, sagte Wallander. »Wir wissen, daß jemand ein Auge auf uns hat, vielleicht Alfred Harderberg, vielleicht auch ein anderer.«
»Wenn man sich nur auf Kurt Ström verlassen könnte«, sagte Svedberg. »Stellt euch vor, wir hätten jemanden im Schloß, der sich zwischen all den Sekretärinnen bewegt, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.«
»Du hast recht«, sagte Wallander. »Noch besser wäre es, wenn wir jemanden fänden, der bis vor kurzem bei Harderberg gearbeitet hat. Der vielleicht entlassen wurde und jetzt wütend ist auf seinen ehemaligen Arbeitgeber.«
|258| »Die Wirtschaftsspezialisten behaupten, daß es nur einen kleinen Kreis von Menschen gibt, die Alfred Harderberg nahestehen«, sagte Martinsson. »Zumeist Mitarbeiter, die seit Jahren für ihn arbeiten. Die Sekretärinnen sind weniger wichtig. Ich glaube nicht, daß sie besonders viel wissen.«
»Trotzdem wäre es gut, wenn wir jemanden im Schloß hätten«, wiederholte Svedberg. »Wir könnten etwas über das tägliche Geschehen erfahren.«
Die Versammlung löste sich langsam auf.
»Ich schlage vor, daß wir unsere morgige Besprechung an einen anderen Ort verlegen«, sagte Wallander abschließend. »Wir müssen das Material noch einmal in Ruhe durchgehen und unsere Position bestimmen. Die Zeit arbeitet gegen uns, das dürfen wir nicht vergessen.«
»Im Spätherbst steht das Hotel Continental fast leer«, sagte Martinsson. »Einen Konferenzraum könnten wir dort sicher billig mieten.«
»Das hätte etwas Symbolisches«, sagte Wallander. »Schließlich haben sich Alfred Harderberg und Gustaf Torstensson dort zum ersten Mal getroffen.«
Am Tag darauf saßen sie in der oberen Etage des Continental zusammen. Sie unterbrachen ihre Diskussion lediglich für einen kleinen Imbiß und später zum Kaffeetrinken. Am Abend beschlossen sie, auch noch den nächsten Tag hier zu nutzen. Björk gab telefonisch seine Zustimmung. Sie schlossen sich von der Außenwelt ab und arbeiteten sich noch einmal durch das gesamte Material. Die Zeit saß ihnen im Nacken. Es war bereits Freitag, der 19. November.
Erst am frühen Abend brachen sie auf.
Wallander meinte später, daß Ann-Britt Höglund die Lage, in der sie sich befanden, am besten beschrieben hatte.
»Alles liegt vor uns, aber wir sehen die Zusammenhänge nicht. Wenn Alfred Harderberg die Fäden zieht, dann tut er es sehr geschickt. Sobald wir uns umdrehen, wirbelt er die Dinge durcheinander, und wir können wieder von vorn beginnen.«
Alle waren müde, als sie das Hotel verließen. Aber sie schlichen |259| nicht davon wie besiegte Krieger. Wallander wußte, daß etwas Wichtiges erreicht war. Jeder teilte nun das Wissen der anderen, kannte die Ideen und Zweifel der Kollegen.
»Jetzt gehen wir ins Wochenende«, sagte Wallander beim Abschied. »Am Montag machen wir mit frischen Kräften weiter.«
Den Samstag verbrachte er in Löderup bei seinem Vater. Es gelang ihm, das Dach zu reparieren. Anschließend saßen sie stundenlang in der Küche und spielten Karten. Beim gemeinsamen Abendessen spürte Wallander, daß Gertrud wirklich gern mit seinem Vater zusammenlebte.
Später am Abend fragte er Gertrud, ob sie Schloß Farnholm kenne.
»Früher sagte man, es sei ein Spukschloß«, antwortete sie. »Aber solche Geschichten erzählt man wohl über jedes Schloß.«
Gegen Mitternacht fuhr Wallander nach Hause. Es herrschte leichter Frost. Er fürchtete sich vor dem herannahenden Winter.
Am Sonntag schlief er lange. Dann ging er spazieren und betrachtete die Boote im Hafen. Am Nachmittag brachte er seine Wohnung auf Vordermann.
Als Wallander am Montag, dem 22. November, erwachte, hatte er Kopfschmerzen. Das wunderte ihn, denn er hatte am Abend keinen Alkohol getrunken. Vielleicht lag es daran, daß er so unruhig geschlafen hatte. Die Nacht war voller
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