Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
richtigen Spur sind. Übrigens sind wir uns darüber in der Ermittlungsgruppe einig.«
»Dennoch meine ich, daß wir überlegen sollten, bereits jetzt Kollegen abzuziehen, um den Fall aus einer anderen Richtung anzugehen.«
»Aus welcher Richtung?« rief Wallander hitzig. »Wir haben keinen anderen Ansatzpunkt. Wer arrangiert einen Autounfall, um einen Mord zu vertuschen, und mit welchem Motiv? Warum wird ein Anwalt in seinem Büro erschossen? Wer vergräbt eine Mine im Garten einer treuen Angestellten? Wer sprengt meinen Wagen in die Luft? Sollen wir davon ausgehen, daß es sich um einen Verrückten handelt, der ganz zufällig beschlossen hat, die Inhaber und Angestellten einer Anwaltskanzlei in Ystad und dazu den einen oder anderen Polizisten umzubringen?«
»Ihr seid die Klientenkartei noch gar nicht gründlich durchgegangen. Es gibt vieles, was wir noch nicht wissen.«
»Trotzdem brauche ich mehr Zeit«, forderte Wallander erneut. »Nicht unbegrenzt, aber mehr.«
»Zwei Wochen«, entschied Per Åkeson. »Wenn ihr dann nichts Überzeugendes zu bieten habt, ändern wir die Richtung.«
»Das reicht nicht.«
»Gut, drei Wochen«, lenkte Per Åkeson ein.
»Sagen wir, Weihnachten. Wenn wir vorher merken, daß wir in die Irre laufen, korrigieren wir uns sofort. Aber gib uns bitte Zeit bis Weihnachten.«
Per Åkeson wandte sich an Björk. »Was meinst du?«
»Ich mache mir Sorgen, weil ich denke, daß wir in die falsche Richtung ermitteln. Ich habe die ganze Zeit bezweifelt, daß Alfred Harderberg mit dem Fall zu tun hat, das ist kein Geheimnis.«
Wallander setzte zu einer Erwiderung an, beherrschte sich dann aber. Schlimmstenfalls mußte er die angebotenen drei Wochen akzeptieren. Per Åkeson begann, in den Papierstapeln auf dem Tisch zu wühlen. »Was ist das hier mit den Transplantationen? |263| Ich habe irgendwo gelesen, daß ihr einen Behälter zum Transport menschlicher Organe in Gustaf Torstenssons Wagen gefunden habt. Stimmt das?«
Wallander berichtete von Sven Nybergs Entdeckung.
»Avanca«, wiederholte Per Åkeson nachdenklich, als Wallander fertig war. »Ist die Firma an der Börse notiert? Ich habe den Namen noch nie gehört.«
»Es handelt sich um ein kleines Unternehmen, das einer Familie Roman gehört. Es begann mit dem Import von Rollstühlen in den 30er Jahren.«
»Mit anderen Worten, es gehört nicht zum Imperium von Harderberg«, setzte Per Åkeson den Gedanken fort.
»Das wissen wir noch nicht.«
»Wie kann ein Unternehmen, das im Besitz einer Familie Roman ist, gleichzeitig Alfred Harderberg gehören? Das mußt du mir erklären.«
»Ich werde es dir erklären, wenn ich es kann«, sagte Wallander. »Aber ich habe in den letzten Monaten die Erfahrung gemacht, daß die Eigentümerverhältnisse in verschiedenen Unternehmen beträchtlich von dem abweichen, was auf dem Firmenschild steht.«
Per Åkeson schüttelte den Kopf. »Ich merke schon, du gibst nicht auf.«
Dann schaute er auf seinen Schreibtischkalender. »Am Montag, dem 20. Dezember, entscheiden wir uns. Falls uns nicht zuvor ein Durchbruch gelingt. Wenn ihr am 20. Dezember keine handfesten Ergebnisse auf den Tisch legen könnt, gebe ich euch nicht einen einzigen Tag mehr.«
»Wir werden die Zeit nutzen«, versprach Wallander. »Ich hoffe, dir ist klar, daß wir hart arbeiten.«
»Ich weiß«, sagte Per Åkeson. »Aber als Staatsanwalt habe ich meine Vorschriften.«
Damit war das Gespräch beendet. Schweigend gingen Björk und Wallander zu ihren Büros.
»Es war nett von ihm, dir so viel Zeit zu geben«, sagte Björk auf dem Flur vor seiner Zimmertür.
»Mir? Du meinst wohl, uns?«
|264| »Du weißt ganz genau, was ich meine. Laß uns nicht sinnlos diskutieren.«
»Ganz mein Wunsch«, sagte Wallander.
Als er in seinem Büro war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, fühlte er sich plötzlich müde. Lustlos schob er eine Fotografie von Harderbergs Flugzeug zur Seite, die ihm jemand auf den Schreibtisch gelegte hatte.
Ich schaffe es nicht, dachte er. Die ganze Ermittlung läuft schief. Ich sollte die Verantwortung abgeben.
Lange blieb er reglos sitzen. In Gedanken reiste er nach Riga, zu Baiba Liepa. Als er es nicht mehr aushielt, schrieb er ihr einen Brief, in dem er sie über Weihnachten und Neujahr nach Ystad einlud. Um nicht zu riskieren, den Brief zu vergessen oder später zu zerreißen, steckte er ihn sofort in einen Umschlag, adressierte ihn und gab ihn bei Ebba in der Anmeldung ab. »Der muß heute
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