Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
Scheiben, damit man die Insassen nicht erkennen kann?«
Kurt Ström nickte. »Nun hast du deine Antwort. Jetzt scher dich zum Teufel!«
»Es ist immer nett, alte Kollegen zu treffen«, sagte Wallander. »Aber du hast recht, es wird Zeit für mich. Danke für das anregende Gespräch.«
Als er Kurt Ström den Rücken zuwandte und zum Auto ging, begannen die Hunde wieder zu kläffen. Beim Davonfahren |299| sah er, daß sein ehemaliger Kollege reglos im Garten stand und ihm hinterherschaute. Wallander merkte, daß er geschwitzt hatte. Er wußte, daß Ström zu Gewaltausbrüchen neigte.
Aber er ahnte auch, daß er der Lösung des Problems entscheidend näher gekommen war. Der Ausgangspunkt für das Geschehen lag in der Frage, was an jenem Oktoberabend vorgefallen war, an dem Gustaf Torstensson starb, allein in seinem Auto. Er konnte sich vorstellen, wie alles abgelaufen war. Während Gustaf Torstensson in einem der tiefen Lederfauteuils gesessen und mit Alfred Harderberg und den beiden italienischen Bankiers gesprochen hatte, war ein Wagen vorausgefahren, um den alten Anwalt auf dem Heimweg zu erwarten. Irgendwie, mit Gewalt, List oder durch überwältigende Freundlichkeit, hatten sie es geschafft, ihn auf der verlassenen Wegstrecke zum Halten zu bringen. Wallander wußte nicht, ob der Beschluß, Gustaf Torstensson nicht nach Hause zurückkehren zu lassen, an jenem Abend oder bereits vorher gefaßt worden war. Jetzt zeichneten sich jedenfalls die Konturen einer Erklärung ab.
Er erinnerte sich an die Männer, die in der großen Empfangshalle neben der Treppe im Schatten gestanden hatten.
Ein kalter Schauer kroch ihm über den Rücken. Er dachte an seine Erlebnisse der letzten Nacht.
Unwillkürlich trat er fester auf das Gaspedal. Als er sich Sandskogen näherte, fuhr er so schnell, daß er bei einer Verkehrskontrolle den Führerschein eingebüßt hätte. Er bremste ab. In Ystad hielt er an Fridolfs Konditorei und trank Kaffee. Er wußte, was Rydberg ihm geraten hätte.
Geduld, hätte er gesagt. Wenn Steine den Hang hinabrollen, rennt man nicht sofort hinterher; die Gefahr ist groß, mitgerissen zu werden. Nein, man bleibt stehen und beobachtet, wo sie liegenbleiben – das hätte er gesagt.
Genau, dachte Wallander.
Genau so werden wir uns verhalten.
|300| Während der folgenden Tage konnte Wallander, wie so häufig in der Vergangenheit, feststellen, daß er von Mitarbeitern umgeben war, die sich nicht schonten, wenn es die Aufgabe verlangte. Waren sie bisher schon intensiv bei der Sache gewesen, so murrten sie auch jetzt nicht, als Wallander erhöhte Anstrengung forderte. Es hatte am Mittwoch nachmittag begonnen, als Wallander die Ermittlungsgruppe im Konferenzraum versammelte. Auch der an einer Magengrippe leidende Per Åkeson war dabei. Alle waren sich einig, daß Alfred Harderbergs weltumspannendes Imperium schnell und gründlich untersucht werden mußte. Per Åkeson rief noch während der Beratung in Malmö und Stockholm an und schilderte den dortigen Wirtschaftsspezialisten die Dringlichkeit des Falles. Atemlos lauschten die Kriminalisten und applaudierten spontan, als der Staatsanwalt seine Gespräche beendet hatte. Er ermunterte sie, die Avanca-Spur intensiv zu verfolgen und eine eventuelle Kollision mit den Kollegen in Malmö und Stockholm nicht zu scheuen. Wallander war auch in diesem Zusammenhang der Meinung, daß Ann-Britt Höglund dafür am geeignetsten sei. Niemand hatte etwas einzuwenden, und von diesem Augenblick an war die junge Frau nicht mehr die Neue, sondern ein anerkanntes Mitglied der Gruppe. Svedberg übernahm einen Teil ihrer früheren Aufgaben, nicht zuletzt die Überprüfung der Flugdokumentationen. Zuvor hatten Wallander und Per Åkeson darüber diskutiert, ob es sich um wirklich wertvolle Informationsquellen handelte, die den Aufwand lohnten. Wallander hatte darauf hingewiesen, daß sie früher oder später Bescheid wissen mußten, wann und wohin Alfred Harderberg geflogen war, vor allem an den Mordtagen. Per Åkeson wandte ein, daß ein Mann wie Harderberg, wenn er dahinterstecken sollte, mit Sicherheit über die modernsten Kommunikationsmittel verfügte. Das bedeutete, daß er jederzeit mit Schloß Farnholm in Kontakt treten konnte, ob nun aus dem Luftraum über dem Atlantik oder in der australischen Wüste, wo er laut Auskunft der Wirtschaftsexperten an der Ausbeutung von Bodenschätzen beteiligt war. Wallander wollte Per Åkeson gerade zustimmen, da änderte dieser seine
Weitere Kostenlose Bücher