Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
Pferdewetten verwendete. Sein Schreibtisch war ständig voller Prospekte und Wettdiagramme. Oft schien es Wallander, als verbringe sein Kollege die Hälfte seiner Arbeitszeit mit Berechnungen von Gewinnchancen für den nächsten Renntag. Außerdem wußte er, daß Hansson Opernmusik verabscheute.
Aber nun saßen sie einander gegenüber. Gut, daß Hansson zurück ist, dachte Wallander. Wir können eine Verstärkung unserer Ermittlungskapazität brauchen. Das allein zählt.
|306| »Du bist also wieder da«, sagte Hansson. »Als ich zuletzt von dir hörte, hieß es, du würdest den Dienst quittieren.«
»Der Mord an Sten Torstensson hat mich umgestimmt.«
»Und dann hast du entdeckt, daß auch der Vater umgebracht wurde. Wir waren von einem Autounfall ausgegangen.«
»Das Ganze war ja auch geschickt inszeniert. Reiner Zufall, daß ich das Stuhlbein im Lehm entdeckte.«
»Ein Stuhlbein?« fragte Hansson verwundert.
»Du mußt dich in Ruhe mit allem vertraut machen. Und du wirst dringend gebraucht. Nicht zuletzt wegen des Telefonats, das ich soeben geführt habe.«
»Worum ging es da?«
»Es scheint, als bereite der Mann, auf den wir unsere Ermittlungen konzentriert haben, seine Flucht vor. Das könnte uns vor große Probleme stellen.«
Hansson schaute ihn verständnislos an. »Ich glaube, ich muß mich wirklich erst mit dem Fall befassen.«
»Ich würde dir gern ausführliche Informationen geben, aber ich schaffe es jetzt nicht. Sprich bitte mit Ann-Britt. Sie ist sehr geschickt darin, das Wichtige zusammenzufassen und den Rest wegzulassen.«
»Wirklich?«
Wallander sah ihn fragend an. »Wirklich was?«
»Na, gut. Ich meine, ist Ann-Britt Höglund wirklich gut?«
Wallander erinnerte sich an eine Bemerkung Martinssons, daß Hansson seine Position durch die neue Kollegin bedroht sah.
»Ja«, sagte er. »Ja, sie ist bereits jetzt eine gute Kriminalistin. Und sie wird noch besser werden.«
»Das glaube ich kaum«, sagte Hansson und stand auf.
»Du wirst es sehen. Nur soviel: Ann-Britt Höglund ist gekommen, um zu bleiben.«
»Ich würde trotzdem lieber mit Martinsson sprechen.«
»Wie du willst.«
Hansson war schon fast aus der Tür, als Wallander noch eine Frage stellte. »Was hast du eigentlich in Halmstad gemacht?«
»Die Reichspolizeiführung hat mir einen Blick in die Zukunft |307| ermöglicht. Dann werden Polizisten überall auf der Welt vor ihren Bildschirmen sitzen und Verbrecher jagen. Wir werden in ein weltumspannendes Kommunikationsnetz eingebunden sein, wo alle Informationen, die Polizisten verschiedener Länder gesammelt haben, von sinnvoll angelegten Datenbanken abrufbar sind«, erklärte Hansson.
»Klingt ja grauenvoll. Und langweilig.«
»Aber vieles wird leichter werden. Na, wir sind bis dahin längst in Pension.«
»Ann-Britt Höglund wird es vielleicht erleben«, sagte Wallander nachdenklich. »Übrigens, gibt es in Halmstad Pferderennen?«
»Einmal in der Woche.«
»Und wie ist es gelaufen?«
Hansson zuckte die Schultern. »Mal so, mal so, wie immer. Manche Gäule entsprechen den Erwartungen, andere nicht.«
Als Hansson gegangen war, dachte Wallander an die Wut, die ihn bei der Nachricht von Alfred Harderbergs eventuell bevorstehender Flucht überwältigt hatte. Er verlor selten die Fassung und konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt so außer Kontrolle geraten war, daß er mit Gegenständen um sich werfen wollte. Daß Alfred Harderberg beabsichtigte, Schloß Farnholm zu verlassen, konnte einfach bedeuten, daß er, wie so viele Male zuvor, entschieden hatte, den Aufenthaltsort zu wechseln. Es hieß nicht zwangsläufig, daß er eine Flucht plante. Wovor sollte er eigentlich fliehen? Und wohin? Schlimmstenfalls würden sich die Ermittlungen komplizierter gestalten; andere Polizeibezirke müßten eingeschaltet werden, je nachdem, wo er sich niederließ.
Es gab noch eine andere Möglichkeit, der Wallander sofort nachgehen mußte. Er rief Sten Widén an. Eine der Pferdepflegerinnen war am Apparat. Ihre Stimme klang sehr jung.
»Sten ist im Stall«, sagte sie. »Der Hufschmied ist da.«
»Dort gibt es doch auch ein Telefon. Kannst du mich nicht verbinden?«
»Geht leider nicht, der Apparat im Stall ist kaputt.«
|308| »Dann hole ihn bitte. Sag, daß Roger Lundin dringend mit ihm sprechen muß.«
Es dauerte fast fünf Minuten, bis Sten Widén am Telefon war.
»Was ist denn los?« fragte er barsch.
»Sofia hat nicht zufällig erwähnt, wohin Harderberg umziehen
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