Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
Unterwegs dachte er über ihren Bericht nach. Er war nicht weitergekommen – die Pläne Alfred Harderbergs lagen nach wie |316| vor im dunkeln. Die Piloten fielen ihm ein. Und die Flugdokumentationen. Wir müssen ihm einen Schritt voraus sein, wenn er beschließt, aus dem Land zu verschwinden, dachte er. Gleichzeitig sagte er sich, daß es an der Zeit sei, Schloß Farnholm erneut einen Besuch abzustatten.
Viertel vor acht erreichte Wallander das Polizeigebäude. Im Flur begegnete er Ann-Britt Höglund. Sie nickte ihm hastig zu und verschwand in ihrem Zimmer. Wallander blieb verwundert stehen. Warum war sie so abweisend? Er machte kehrt, ging zu ihrem Büro und klopfte an. Als sie antwortete, öffnete er die Tür und steckte den Kopf hinein.
»Früher haben wir einander freundlich gegrüßt in diesem Hause«, sagte er.
Sie reagierte nicht, sondern schaute weiter in den Aktenordner, der vor ihr auf dem Schreibtisch lag.
»Was ist los?«
Sie starrte ihn an. »Das fragst du mich?«
Wallander trat ein und schloß die Tür hinter sich. »Worauf willst du hinaus? Was habe ich getan?«
»Ich habe gedacht, du wärst anders. Aber jetzt weiß ich, daß es keinen Unterschied gibt.«
»Ich verstehe immer noch nicht. Was wirfst du mir eigentlich vor?«
»Ich habe dir nichts zu sagen und bitte dich, sofort zu gehen.«
»Ich rühre mich erst vom Fleck, wenn du mir eine Erklärung gegeben hast.«
Wallander war nicht sicher, ob sie kurz vor einem Wutanfall stand oder gleich in Tränen ausbrechen würde.
»Ich dachte, wir wären auf dem Weg, Freunde zu werden«, sagte er. »Nicht nur Kollegen.«
»Das habe ich auch gedacht. Aber jetzt nicht mehr.«
»Das mußt du mir erklären!«
»Gut, und ich werde ganz ehrlich sein, was man ja von dir nicht behaupten kann. Ich dachte, du wärst jemand, auf den man sich verlassen kann. Ich sehe meinen Fehler ein. Vielleicht brauche ich eine Weile, um darüber hinwegzukommen.«
|317| Wallander hob hilflos die Arme. »Ich weiß wirklich nicht, worauf du hinauswillst.«
»Hansson ist heute zurückgekommen. Das müßte dir bekannt sein, denn er war bei mir und erzählte von eurem Gespräch.«
»Was hat er gesagt?«
»Daß du dich über seine Rückkehr freuen würdest.«
»Ich freue mich ja auch. Wir können jeden gebrauchen.«
»Sicher, vor allem, weil du mit mir so unzufrieden bist.«
Wallander schaute sie verständnislos an. »Hat er das gesagt? Ich sei mit dir unzufrieden?«
»Ich hätte es nur gern von dir erfahren, und zwar als erste.«
»Ich habe genau das Gegenteil gesagt, nämlich daß du dich bereits jetzt als eine gute Polizistin erwiesen hast.«
»Er klang aber sehr überzeugend.«
Wallander wurde wütend. »Dieser verdammte Hansson! Wenn du willst, rufe ich ihn an und bestelle ihn sofort hierher. Dir ist doch wohl klar, daß er gelogen hat.«
»Warum denn?«
»Weil er Angst vor dir hat.«
»Angst? Vor mir?«
»Was glaubst du denn, warum er sich die ganze Zeit auf Seminaren herumdrückt? Weil er befürchtet, daß du an ihm vorbeiziehst, was die Karriere betrifft. Er hat Angst, du könntest tüchtiger sein als er.«
Er merkte, daß sie unsicher wurde. »Es ist wirklich so«, fuhr er fort. »Morgen werden wir mit ihm reden, du und ich. Für ihn wird es kein angenehmes Gespräch sein, das kann ich garantieren.«
Sie schwieg. Dann schaute sie ihn an. »Ich muß mich wohl entschuldigen.«
»Das soll er tun«, sagte Wallander. »Nicht du.«
Am Tag darauf, am Freitag, dem 26. November, lag in den Morgenstunden Reif auf den Bäumen vor dem Polizeigebäude.
Ann-Britt Höglund bat Wallander, nicht auf den Vorfall mit Hansson zurückzukommen. Sie habe in der Nacht darüber |318| nachgedacht und halte es für angemessener, selbst mit dem Kollegen zu sprechen, sobald sie einen gewissen Abstand gewonnen habe. Wallander spürte, daß sie seiner Darstellung Glauben schenkte, und akzeptierte ihre Entscheidung. An diesem Vormittag, an dem alle matt und erkältet zu sein schienen – außer Per Åkeson, der wieder gesund war –, berief Wallander eine Versammlung ein. Er berichtete von seinem Treffen mit Sofia am Abend zuvor in Simrishamn, aber es munterte seine Kollegen nicht sonderlich auf. Svedberg war immerhin so beflissen, eine detaillierte Karte der Gegend auszubreiten, in der Schloß Farnholm lag. Er wußte zu berichten, daß die umfangreichen Parkanlagen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden waren, als das Schloß einer Familie mit dem bürgerlichen Namen
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