Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
in ihrem Blick.
»Roger Lundin«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wie du wirklich heißt, und es interessiert mich auch nicht. Aber Roger Lundin ist nicht dein richtiger Name. Du bist ein Bulle.«
Wallander beschloß, die Wahrheit zu sagen; es kam nicht darauf an. »Du hast recht«, bestätigte er. »Ich heiße nicht Roger Lundin. Und ich bin Polizist. Meinen richtigen Namen mußt du nicht kennen.«
»Warum nicht?«
»Weil es besser ist.«
Sie merkte, daß sich Wallanders Haltung veränderte, und betrachtete ihn mit einem gewissen Interesse.
»Jetzt hör mir genau zu«, fuhr Wallander fort. »Eines Tages werde ich dir erklären, warum die ganze Geheimniskrämerei notwendig war. Heute muß dir genügen, daß ich Kriminalist bin und an der Aufklärung einiger besonders brutaler Morde arbeite. Damit du weißt, daß das hier kein Scherz ist. Klar?«
|311| »Vielleicht.«
»Jetzt bitte ich dich, mir ein paar Fragen zu beantworten, anschließend kannst du zum Schloß zurückfahren.«
Er erinnerte sich an die Papiere, die er in der Tasche hatte. Er legte sie auf den Tisch und reichte ihr einen Kugelschreiber. »Möglicherweise ist dir jemand gefolgt«, sagte er. »Deshalb füllst du nebenbei diese Dokumente aus. Schreib deinen Namen.«
»Wer soll mich verfolgt haben?« fragte sie und schaute sich im Lokal um.
»Sieh mich an«, zischte Wallander. »Sieh nicht in andere Richtungen. Wenn dir jemand gefolgt ist, kannst du sicher sein, daß er dich beobachtet. Aber du wirst ihn nicht entdecken.«
»Woher willst du wissen, daß es ein Mann ist?«
»Richtig. Das weiß ich nicht.«
»Mir kommt das Ganze ziemlich verrückt vor.«
»Trink deinen Kaffee, iß den Kuchen, schreib deinen Namen und sieh mich an. Wenn du nicht tust, was ich dir sage, werde ich dafür sorgen, daß Sten Widén dich nicht wieder nimmt.«
Die Drohung schien zu wirken. Für den Augenblick befolgte sie seine Anweisungen.
»Woraus schließt du, daß Harderberg und seine Leute das Schloß verlassen wollen?«
»Man sagte mir, ich sei für einen Monat eingestellt. Dann würden sie aus dem Schloß ausziehen.«
»Wer hat dir das gesagt?«
»Ein Mann ist in den Stall gekommen.«
»Wie sah er aus?«
»Irgendwie schwarz.«
»Ein Neger?«
»Nein, aber er trug dunkle Kleidung und hatte schwarze Haare.«
»Ein Ausländer?«
»Er sprach Schwedisch.«
»Mit einem Dialekt?«
»Vielleicht.«
|312| »Weißt du, wie er heißt?«
»Nein.«
»Weißt du, was er macht?«
»Nein.«
»Aber er arbeitet im Schloß?«
»Muß er ja wohl.«
»Was hat er noch gesagt?«
»Ich mochte ihn nicht. Er war unangenehm.«
»Warum?«
»Er lungerte im Stall herum und schaute mir zu, als ich ein Pferd striegelte. Er fragte mich, woher ich komme.«
»Was hast du geantwortet?«
»Daß ich mich für den Job beworben hätte, weil ich bei Sten Widén nicht mehr bleiben konnte.«
»Hat er noch etwas gefragt?«
»Nein.«
»Was geschah dann?«
»Er ist wieder gegangen.«
»Warum war er unangenehm?«
Sie überlegte, bevor sie antwortete. »Weil er versucht hat, mich auszufragen, und er dachte, ich merke es nicht.«
Wallander nickte. Er verstand, was sie meinte. »Hast du noch jemanden getroffen?«
»Nur die Frau, die mich eingestellt hat.«
»Anita Karlén.«
»Ja, ich glaube, so hieß sie.«
»Sonst niemanden?«
»Nein.«
»Kümmerst du dich denn ganz allein um die Pferde?«
»Ja. Zwei Pferde sind schließlich nicht viel.«
»Wer hat diesen Job vorher gemacht?«
»Das weiß ich nicht.«
»Haben sie gesagt, warum sie plötzlich einen neuen Pferdepfleger brauchten?«
»Frau Karlén meinte, es sei jemand krank geworden.«
»Aber du hast niemanden getroffen?«
»Nein.«
|313| »Was hast du beobachtet?«
»Wie meinst du das?«
»Du hast doch bestimmt andere Menschen gesehen. Oder Autos, die ankamen oder abfuhren.«
»Der Stall liegt weitab. Von dort aus kann man nur einen Giebel des Schlosses sehen. Die Koppel ist noch weiter entfernt. Außerdem darf ich nicht zum Schloß gehen.«
»Wer sagt das?«
»Anita Karlén. Ich werde augenblicklich gefeuert, wenn ich etwas Verbotenes tue. Außerdem muß ich immer erst telefonisch um Erlaubnis bitten, wenn ich das Gelände verlassen will.«
»Wo hat dich das Taxi abgeholt?«
»Vor dem Tor.«
»Hast du noch etwas zu berichten, was wichtig für mich sein könnte?«
»Woher soll ich wissen, was dich interessiert?«
Plötzlich hatte Wallander das Gefühl, daß da noch etwas war, daß sie in einer bestimmten
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