Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
er meinte, ihn problemlos manipulieren zu können – wir wissen es nicht, es ist eine reine Vermutung meinerseits. Aber irgendwann geschieht etwas Unerwartetes; Gustaf Torstensson wirkt plötzlich unruhig und bedrückt. Das fällt sowohl seinem Sohn als auch der Sekretärin auf. Sie spricht sogar davon, er habe einen verängstigten Eindruck gemacht. Ungefähr zur gleichen Zeit geschieht noch etwas anderes. Im Verein zum Studium der Ikonenmalerei haben sich Lars Borman und Gustaf Torstensson kennengelernt. Plötzlich entsteht eine Spannung zwischen ihnen. Wir können vermuten, daß Harderberg die Ursache ist, denn er taucht im Hintergrund des Betrugs an der Bezirksbehörde von Malmöhus auf. Die wichtigste Frage bleibt jedoch: Warum verhielt sich Gustaf Torstensson plötzlich so seltsam? Ich denke, er hat bei seiner Arbeit für Harderberg etwas entdeckt, das ihn aus dem inneren Gleichgewicht brachte. Vielleicht dieselbe Sache, auf die Lars Borman gestoßen ist. Wir wissen nicht, was es war. So tötete man Gustaf Torstensson, der Mord wurde als Autounfall getarnt. Sten Torstensson besucht mich in Skagen. Ein paar Tage später ist auch er tot. Er muß |321| sich bedroht gefühlt haben, denn er legte eine falsche Fährte, die nach Finnland führte, während er sich in Dänemark aufhielt. Ich bin außerdem überzeugt, daß ihm jemand nach Skagen gefolgt ist – jemand muß unsere Begegnung am Strand beobachtet haben. Die Mörder Gustaf Torstenssons blieben ihm auf den Fersen. Sie konnten nicht wissen, ob der Vater dem Sohn etwas anvertraut hatte. Ebensowenig konnten sie in Erfahrung bringen, was Sten Torstensson mir erzählt hat oder was Frau Dunér wußte. Deshalb stirbt Sten Torstensson, deshalb versucht man, Frau Dunér durch eine Mine umzubringen, deshalb brennt mein Wagen aus. Deshalb werde ich beschattet und keiner von euch. Alles aber wirft uns auf die Frage zurück, was Gustaf Torstensson entdeckt hat. Wir versuchen herauszufinden, ob es etwas mit dem Plastikbehälter zu tun hat, der auf dem Rücksitz seines Wagens lag. Oder werden unsere Wirtschaftsexperten die Antwort finden? Jedenfalls ist ein Muster zu erkennen, das mit dem kaltblütig ausgeführten Mord an Gustaf Torstensson beginnt. Sten Torstensson besiegelte sein Schicksal, als er sich entschloß, mich in Skagen zu besuchen. Wir müssen versuchen, dieses Muster zu deuten. Im Hintergrund steht kein anderer als Alfred Harderberg mit seinem Imperium.«
Als Wallander fertig war, schwiegen zunächst alle. Er versuchte, das Schweigen zu deuten – hatten seine Worte die allgemeine Unlust verringert oder, im Gegenteil, noch verstärkt?
»Du zeichnest ein sehr überzeugendes Bild«, meinte Per Åkeson, als die Stille drückend zu werden begann. »Möglicherweise hast du in allen Punkten recht. Das Problem ist nur, daß uns jeglicher Beweis fehlt, nicht zuletzt auf technischem Gebiet.«
»Deshalb müssen wir die Spur, die der Plastikbehälter legt, verstärkt beachten«, sagte Wallander. »Wir müssen uns Avanca vorknöpfen und sehen, was sich dahinter verbirgt. Irgendwo muß der Draht zu finden sein, an dem wir ziehen können.«
»Wie wäre es denn, wenn wir uns Kurt Ström mal ordentlich vornehmen?« sagte Per Åkeson. »Und diese Männer, die immer in Harderbergs Nähe sind – wer sind sie?«
|322| »Das sind wichtige Fragen«, sagte Wallander. »Durch Kurt Ström könnten wir vielleicht weitere Informationen erhalten. Wenn wir ihn über Schloß Farnholm ausquetschen, merkt Harderberg jedoch sofort, daß wir ihn verdächtigen, und dann werden wir den Fall wohl nie lösen. Er hat alle Möglichkeiten, sich rundherum reinzuwaschen. Daher glaube ich, daß es besser ist, wenn ich ihn noch einmal aufsuche und auf unsere falsche Fährte setze.«
»Du mußt geschickt sein«, sagte Per Åkeson. »Sonst wird er dich durchschauen.«
Er stellte seine Tasche auf den Tisch und begann, seine Ordner einzupacken. »Kurt hat unsere Position beschrieben«, sagte er. »Ein möglicher Ausgangspunkt, aber leider vage und nicht durch Beweise erhärtet. Warten wir ab, was uns die Wirtschaftsspezialisten am Montag zu sagen haben.«
Sie brachen auf. Wallander war unruhig. Seine eigenen Worte schwirrten ihm im Kopf herum. Vielleicht hatte Per Åkeson recht? Seine Zusammenfassung hatte zwar ein überzeugendes Bild des Falles ergeben, aber was war, wenn die Spur dennoch in die Irre führte?
Es muß etwas geschehen, dachte er.
Es muß sehr schnell etwas geschehen.
An die
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