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Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Titel: Wallander 04 - Der Mann, der lächelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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folgenden Wochen würde sich Wallander später nur mit einer gewissen Verzweiflung erinnern; sie zählten zu den schlimmsten seines Berufslebens. Denn entgegen seinem Wunsch passierte absolut nichts. Die Wirtschaftsexperten hielten lange Vorträge, die darauf hinausliefen, daß sie mehr Zeit benötigten. Wallander gelang es, seine Ungeduld zu zügeln – vielleicht war es auch Enttäuschung, die er unterdrücken mußte, denn er sah ein, daß die auf ökonomische Fragen spezialisierten Kriminalisten ihr Bestes gegeben hatten. Als Wallander mit Kurt Ström sprechen wollte, stellte sich heraus, daß der ehemalige Kollege zur Beerdigung seiner Mutter nach Västerås gefahren war. Wallander beschloß, ihm nicht nachzureisen, sondern seine Rückkehr abzuwarten. Hansson gelang es nicht, mit den beiden Gulfstream-Piloten in Kontakt zu kommen, |323| da diese ständig mit Harderberg unterwegs waren. Das einzige, was ihnen in dieser trostlosen Zeit wirklich gelang, war, Zugang zu den Flugdokumentationen zu erhalten. Wallander konnte gemeinsam mit seinen Kollegen konstatieren, daß Alfred Harderberg ein erstaunliches Reiseprogramm absolvierte. Svedberg errechnete, daß sich allein die Treibstoffkosten auf viele Millionen Kronen pro Jahr belaufen mußten. Die Wirtschaftsexperten kopierten die Flugpläne und versuchten, einen Zusammenhang mit Harderbergs hektischen geschäftlichen Transaktionen zu entdecken.
    Zweimal traf sich Wallander mit Sofia, beide Male in der Konditorei in Simrishamn. Sie hatte jedoch nichts Interessantes mitzuteilen.
    Der Dezember begann, und Wallander erkannte immer deutlicher, daß die Ermittlungen steckenbleiben würden – falls dies nicht bereits geschehen war.
    Nichts Entscheidendes ereignete sich. Überhaupt nichts.
    Am Samstag, dem 4.   Dezember, lud ihn Ann-Britt Höglund zum Abendessen ein. Ihr Mann war für ein paar Tage zu Hause, zwischen seinen Reisen, die er unternahm, um rund um den Globus Pumpensysteme zu reparieren. Wallander trank viel zuviel. Die Ermittlungen wurden an diesem Abend mit keinem Wort erwähnt. Als es Zeit war, beschloß Wallander, zu Fuß nach Hause zu gehen. In der Nähe des Postamtes in der Kyrkogårdsgata erbrach er sich, gegen eine Hauswand gelehnt. Als er endlich in seiner Wohnung in der Mariagata war, nahm er den Hörer in die Hand, um Baiba in Riga anzurufen. Aber er besann sich rechtzeitig und wählte statt dessen Lindas Stockholmer Nummer. Als sie ihn lallen hörte, wurde sie wütend und bat ihn, es lieber am nächsten Morgen zu versuchen. Nach dem kurzen Wortwechsel beschlich Wallander die Ahnung, daß sie nicht allein gewesen war. Das bereitete ihm ein gewisses Unbehagen, davon abgesehen, daß er sich ein wenig schämte. Als er am Tag darauf mit ihr telefonierte, stellte er jedoch keine Fragen zu diesem Thema. Linda erzählte von ihrer Arbeit als Lehrling in einer Werkstatt, in der Möbel restauriert wurden. Er merkte, daß ihr der Job gefiel. Weniger begeistert |324| war er von ihrer Ankündigung, sie werde über Weihnachten nicht nach Schonen kommen. Mit ein paar Freunden habe sie eine Berghütte in Västerbotten gemietet. Zum Schluß fragte sie ihn, was er denn so mache.
    »Ich jage einen Seidenritter«, antwortete er.
    »Einen Seidenritter?«
    »Was ein Seidenritter ist, werde ich dir später einmal erklären.«
    »Klingt irgendwie nett.«
    »Das ist aber kein netter Zeitgenosse. Schließlich bin ich bei der Mordkommission – wir jagen selten nette Leute.«
     
    Nichts geschah. Am Donnerstag, dem 9.   Dezember, war Wallander nahe daran, aufzugeben. Am nächsten Tag würde er Per Åkeson vorschlagen, die Richtung der Ermittlungen bereits vor Ablauf der Frist zu ändern.
    Doch am Freitag, dem 10.   Dezember, geschah endlich etwas. Wallander ahnte noch nicht, daß die trostlose Zeit nun vorbei war. Als er morgens in sein Büro kam, fand er auf dem Schreibtisch eine Mitteilung, er solle unverzüglich Kurt Ström anrufen. Er zog die Jacke aus, setzte sich und wählte die Nummer. Kurt Ström war sofort am Apparat.
    »Ich will dich treffen«, sagte er.
    »Hier oder zu Hause bei dir?«
    »Weder noch«, sagte Ström. »Ich habe ein kleines Haus. In Sandskogen, Svartavägen 12.   Du erkennst es an der roten Farbe. Kannst du in einer Stunde da sein?«
    »Ich komme.«
    Damit war das Gespräch beendet. Wallander legte auf und sah aus dem Fenster.
    Dann stand er auf, nahm seine Jacke und eilte aus dem Polizeigebäude.

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    Regenwolken jagten über den

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