Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
Hansson geheißen. Aus dem Jungen aus Vimmerby war einer der Seidenritter geworden, die die Welt beherrschten, ständig auf Kreuzzug gegen Konkurrenten, die ausmanövriert oder vernichtet werden mußten. Äußerlich befolgte er die Gesetze und Bestimmungen, er war ein geachteter Mann mit mehreren Ehrendoktortiteln, seine generösen Spenden flossen ununterbrochen aus den vielen scheinbar unerschöpflichen Quellen.
Björk hatte ihn als einen ehrenwerten Mann von großer Bedeutung für Schweden beschrieben. Damit hatte er die allgemein akzeptierte Meinung vertreten.
Aber irgendwo ist ein dunkler Fleck. Das ist es eigentlich, was ich behaupte, dachte Wallander. Ich arbeite nach der Theorie, daß sein Lächeln zerschlagen werden muß, um einen Mörder zu finden, der frei herumläuft. Ich versuche, etwas zu finden, was einfach undenkbar ist. Alfred Harderberg hat keinen Schmutzfleck auf der weißen Weste. Sein sonnengebräuntes Antlitz und sein Lächeln machen uns stolz – und sonst gar nichts.
Punkt achtzehn Uhr verließ er das Polizeigebäude. Es regnete nicht mehr, und der böige Wind war schwächer geworden. Als er nach Hause kam, lag unter den Reklamesendungen auf |340| dem Fußboden im Korridor ein Brief, in Riga abgestempelt. Er legte ihn auf den Küchentisch und betrachtete ihn. Erst als er eine Flasche Bier getrunken hatte, riß er ihn auf und las. Um ganz sicher zu sein, daß er ihre Worte nicht mißverstanden hatte, las er sofort ein zweites Mal. Sie hatte also wirklich geantwortet. Er legte den Brief auf den Tisch und dachte, daß es nicht wahr sein konnte. Dann nahm er seinen Wandkalender und zählte die Tage. Wann war er zuletzt so glücklich gewesen? Er nahm ein Bad und ging anschließend in die Pizzeria in der Hamngata, in der er oft zu Gast war. Er trank eine Flasche Wein zum Essen. Erst als er leicht berauscht war und zahlen wollte, wurde ihm klar, daß er am ganzen Abend weder an Alfred Harderberg noch an Kurt Ström gedacht hatte. Beim Verlassen der Pizzeria summte er eine improvisierte Melodie. Dann spazierte er bis Mitternacht durch die Straßen der Innenstadt. Als er wieder in seiner Wohnung war, las er den Brief von Baiba noch einmal, als fürchte er, er könnte ihn trotz allem mißverstanden haben.
Erst kurz vor dem Einschlafen dachte er wieder an Kurt Ström. Plötzlich war er hellwach. Warten sei das einzige, was sie tun konnten, hatte Martinsson gesagt. Ungeduldig stieg er aus dem Bett und setzte sich im Wohnzimmer aufs Sofa. Was machen wir, wenn Ström keine italienische Pistole findet, dachte er. Wie laufen die Ermittlungen weiter, wenn der Plastikbehälter eine blinde Spur ist? Vielleicht können wir ein paar ausländische Leibwächter ausweisen, die sich illegal im Land aufhalten. Und weiter? Der stets lächelnde Alfred Harderberg verläßt Schloß Farnholm, und wir stehen da, mit leeren Händen und einem ungelösten Mordfall. Wir fangen noch einmal von vorn an. Und es dürfte sehr schwierig werden, alles wieder so zu betrachten, als würden wir es zum ersten Mal sehen.
Falls es so kommt, gebe ich die Verantwortung für die Ermittlungen ab, beschloß er. Martinsson kann den Fall übernehmen. Das wäre keine noble Geste, sondern eine Notwendigkeit. Schließlich hatte er, Wallander, es durchgesetzt, daß sie sich auf Alfred Harderberg als Hauptverdächtigen konzentrierten.
|341| Er legte sich wieder ins Bett. Sein Schlaf war unruhig; Traumbruchstücke vermischten sich, so daß er den lächelnden Alfred Harderberg und die stets ernst blickende Baiba Liepa in ein und demselben Bild sah.
Um sieben Uhr erwachte er und konnte nicht wieder einschlafen. Er kochte Kaffee und dachte gleich wieder an den Brief von Baiba. Er setzte sich an den Küchentisch und studierte die Autoanzeigen in
Ystads Allehanda
. Die Versicherung hatte immer noch nichts von sich hören lassen. So verließ er sich auf Björks Versprechen, er könne den Dienstwagen der Polizei benutzen, solange er ihn benötige. Kurz nach neun verließ er die Wohnung. Der Himmel war wolkenlos, das Thermometer zeigte drei Grad plus. Einige Stunden verbrachte er damit, zu verschiedenen Autohändlern der Stadt zu fahren und die Angebote zu prüfen. Lange umkreiste er einen Nissan, den er sich jedoch nicht leisten konnte. Auf dem Heimweg parkte er am Stortorg und ging zu dem Musikladen in der Stora Östergata. Das Opernangebot war dürftig; er mußte sich mit einer Sammel-CD berühmter Arien begnügen. Dann kaufte er Lebensmittel und fuhr
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