Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
sich wie gewöhnlich mit dem Stift die Glatze kratzte.
Alles wie immer, dachte Wallander, wäre da nicht die Frau in Jeans und blauem Hemd, die allein am unteren Ende des Tisches Platz genommen hatte. Er war ihr noch nie begegnet, wußte aber, wer sie war, und kannte sogar ihren Namen. Vor etwa zwei Jahren hieß es, daß ein weiterer Kriminalbeamter die Polizei von Ystad verstärken würde, und in diesem Zusammenhang war Ann-Britt Höglund erstmals erwähnt worden. Sie war jung, hatte vor knapp drei Jahren die Polizeihochschule absolviert, sich aber bereits bewährt. Das Examen hatte sie mit der besten Note abgeschlossen, und sie wurde den anderen |38| gern als Vorbild hingestellt. Ihr Geburtsort war Svarte, aber aufgewachsen war sie in der Nähe von Stockholm. Die Polizeireviere des Landes hatten sich um sie gerissen; aber sie wollte unbedingt in ihre Heimat zurückgehen und bei der Polizei in Ystad arbeiten.
Wallander fing ihren Blick auf, und sie lächelte ihm kurz zu.
Also ist nichts wie immer, schoß es ihm durch den Kopf. Mit einer Frau in der Runde wird alles ein bißchen anders sein.
Weiter kam er nicht mit seinen Gedanken. Björk hatte sich erhoben, und Wallander war plötzlich nervös. Hatte er zu lange gezögert? Vielleicht war er bereits verabschiedet worden, ohne daß er davon wußte?
»Normalerweise ist es hart am Montagmorgen«, begann Björk. »Vor allem wenn wir es, wie jetzt, mit einem besonders traurigen und unbegreiflichen Mord zu tun haben. Aber die heutige Zusammenkunft kann ich mit einer guten Neuigkeit eröffnen. Kurt hat sich gesund schreiben lassen und fängt schon heute wieder bei uns an. Da will ich natürlich der erste sein, der dich willkommen heißt. Ich weiß jedoch, daß ich im Namen aller deiner Kollegen spreche, auch für Ann-Britt, die du noch nicht kennengelernt hast.«
Es wurde still im Raum. Martinsson starrte Björk ungläubig an, während Svedberg mit schiefgelegtem Kopf verständnislos zu Wallander hinübersah. Ann-Britt schien überhaupt nicht verstanden zu haben, was Björk gerade mitgeteilt hatte.
Ob er wollte oder nicht, es war jetzt an ihm, etwas zu sagen.
»Es stimmt«, sagte er, »ich nehme heute meine Arbeit wieder auf.«
Svedberg hörte auf zu kippeln und klatschte die Handflächen laut auf die Tischplatte. »Bravo, Kurt. Denn hier wäre es, verdammt noch mal, nicht einen Tag ohne dich weitergegangen.«
Svedbergs spontaner Kommentar ließ alle in Gelächter ausbrechen. Nacheinander gaben sie Wallander die Hand. Björk versuchte, ein wenig Gebäck zum Kaffee zu organisieren, und Wallander selbst fiel es schwer, seine Rührung zu verbergen.
Nach ein paar Minuten war alles wie sonst. Mehr Zeit für |39| persönliche Gefühle gab es nicht; das war Wallander im Augenblick sehr recht. Er schlug den Schreibblock auf, den er aus seinem Büro mitgebracht hatte. Ein einziger Name war da notiert: Sten Torstensson.
»Kurt hat darum gebeten, sofort an den Ermittlungen im Mordfall teilnehmen zu dürfen«, sagte Björk. »Das soll uns nur recht sein. Ich schlage vor, daß wir zuerst eine Zusammenfassung über den Stand der Dinge geben. Dann soll Kurt Zeit bekommen, sich in die Details einzuarbeiten.«
Er nickte Martinsson zu, der offenbar Wallanders Rolle als Vortragender übernommen hatte.
»Ich bin immer noch ziemlich verwirrt«, sagte Martinsson und blätterte in seinen Papieren. »Aber im großen und ganzen sieht es so aus: Am Morgen des 27. Oktober, einem Mittwoch, also vor fünf Tagen, kam Frau Berta Dunér, die Sekretärin der Anwaltskanzlei, wie immer ein paar Minuten vor acht Uhr ins Büro. Dort fand sie Sten Torstensson erschossen in seinem Zimmer. Er lag zwischen dem Schreibtisch und der Tür auf dem Fußboden, getroffen von drei Schüssen, die jeder für sich tödlich gewesen wären. Da niemand in dem Haus wohnt und die Kanzlei in einem alten Steinhaus mit dicken Mauern und darüber hinaus noch an einer Hauptverkehrsstraße liegt, hat keiner die Schüsse gehört. Jedenfalls hat sich noch niemand gemeldet. Die vorläufigen Obduktionsergebnisse lassen darauf schließen, daß er gegen dreiundzwanzig Uhr erschossen wurde. Das stimmt mit der Aussage Frau Dunérs überein, er habe oft bis spätabends über seiner Arbeit gesessen, vor allem, seit sein Vater auf so tragische Weise ums Leben gekommen ist.«
Hier machte Martinsson eine Pause und schaute Wallander fragend an.
»Ich weiß, daß der Vater einen tödlichen Autounfall hatte«, sagte
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