Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
größer als ein herkömmlicher Apparat. Die Frau bat Wallander, Platz zu nehmen, und tippte eine Mitteilung in den PC. Dann riß sie ein Blatt von einem im Schreibtisch verborgenen Drucker und reichte es ihm.
»Wenn ich richtig verstanden habe, wollten Sie doch einen Ausdruck, um zu lesen, wer am 11. Oktober das Tor passiert hat«, sagte die Frau. »Hier können Sie sehen, wann Anwalt Torstensson ankam und wann er Schloß Farnholm wieder verlassen hat.«
Wallander nahm das Blatt entgegen und legte es neben sich auf den Fußboden. »Ich bin nicht nur deswegen gekommen, ich habe noch einige Fragen zu stellen.«
»Bitte.«
Die Frau setzte sich hinter den Schreibtisch und drückte ein paar Tasten an der Telefonanlage. Wallander ahnte, daß alle hier stattfindenden Gespräche an einem anderen Gerät mitgehört oder aufgezeichnet wurden.
»Mir ist bekannt, daß Alfred Harderberg ein Klient von Gustaf Torstensson war«, begann Wallander. »Ich weiß auch, daß er sich derzeit im Ausland aufhält.«
»Ja, in Dubai«, sagte die Frau.
Wallander runzelte die Stirn. »Vor einer Stunde war er noch in Genf.«
»Vollkommen richtig. Aber er ist heute morgen noch nach Dubai geflogen.«
|97| Wallander holte seinen Notizblock und einen Stift aus der Jackentasche. »Darf ich fragen, wie Sie heißen und was Ihre Aufgabe hier ist?«
»Ich bin eine der Sekretärinnen von Herrn Harderberg. Ich heiße Anita Karlén.«
»Hat Alfred Harderberg viele Sekretärinnen?«
»Das kommt darauf an, wie man es betrachtet«, sagte Anita Karlén ausweichend. »Ist die Frage wirklich von Bedeutung?«
Wieder merkte Wallander, daß ihn die Art, wie er hier behandelt wurde, wütend machte. Er mußte wohl andere Saiten aufziehen, sonst war der Besuch auf Farnholm verlorene Zeit.
»Ob die Frage von Bedeutung ist oder nicht, entscheide ich. Schloß Farnholm ist Privatbesitz; Sie haben das Recht, das Grundstück mit so vielen und so hohen Zäunen zu umgeben, wie Sie wollen, soweit es dafür eine Baugenehmigung gibt und auch auf andere Weise nicht gegen Gesetze und Verordnungen verstoßen wird. Farnholm liegt nun einmal in Schweden. Außerdem haben Sie das Recht zu bestimmen, wen Sie hier hereinlassen. Mit einer Ausnahme: die Polizei. Haben Sie verstanden?«
»Wir haben Ihnen den Zutritt auch nicht verwehrt«, entgegnete sie ungerührt.
»Ich will mich noch deutlicher ausdrücken«, fuhr Wallander fort. Er merkte, daß ihn die Ruhe Anita Karléns verunsicherte. Vielleicht irritierte es ihn auch, daß sie so attraktiv war.
Im selben Augenblick öffnete sich im Hintergrund eine Tür. Eine Frau trug ein Tablett herein. Verwundert registrierte Wallander, daß es eine Farbige war. Wortlos stellte sie das Tablett auf den Schreibtisch und verschwand so lautlos, wie sie gekommen war.
»Möchten Sie Kaffee, Kommissar Wallander?«
»Ja, bitte.«
Sie goß ein und reichte ihm die Tasse.
Er betrachtete das Porzellan. »Lassen Sie mich eine Frage stellen, die nicht von Bedeutung ist. Wenn ich dieses Schmuckstück hier runterfallen lasse, was bin ich dann schuldig?«
Sie lächelte, diesmal richtig: »Es ist natürlich alles versichert. |98| Aber es wäre schade; das Service ist ein Klassiker von Rörstrand.«
Wallander stellte die Tasse vorsichtig neben den Computerausdruck auf den Boden und konzentrierte sich wieder auf das Gespräch. »Ich will mich sehr deutlich ausdrücken«, wiederholte er. »Am selben Abend, am 11. Oktober, eine knappe Stunde nach seinem Besuch hier im Hause, starb Anwalt Gustaf Torstensson bei einem Autounfall.«
»Wir haben Blumen zur Beerdigung geschickt. Eine meiner Kolleginnen war bei der Beisetzung zugegen.«
»Aber natürlich nicht Alfred Harderberg?«
»Auftritten in der Öffentlichkeit geht mein Arbeitgeber nach Möglichkeit aus dem Weg.«
»Das habe ich mir gedacht. Nun gibt es allerdings Gründe zu glauben, daß es gar kein Autounfall war. Vieles spricht dafür, daß Anwalt Torstensson ermordet wurde. Und die Sache wird dadurch, daß sein Sohn einige Wochen später in seinem Büro erschossen wurde, nicht besser. Haben Sie zur Beerdigung des Sohnes vielleicht auch Blumen geschickt?«
Sie sah ihn verständnislos an. »Wir hatten nur mit Gustaf Torstensson zu tun.«
Wallander nickte und fuhr fort. »Jetzt verstehen Sie, warum ich hier bin. Und Sie haben mir immer noch nicht verraten, wie viele Sekretärinnen hier arbeiten.«
»Sie haben ja auch nicht verstanden, daß es auf die Betrachtungsweise
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