Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
um. Er konnte immer noch nicht glauben, was er gesehen hatte.
»Was ist da?« fragte Frau Dunér.
»Geben Sie mir bitte das Telefonbuch«, sagte Wallander mit bebender Stimme.
Sie blickte ihn verständnislos an. »Was wollen Sie denn damit?«
»Tun Sie bitte, was ich sage.«
Sie lief in den Flur und kam mit dem Ystad-Band zurück.
Wallander wog ihn in der Hand.
»Gehen Sie in die Küche und bleiben Sie dort«, sagte er.
Sie gehorchte.
Es konnte auf keinen Fall wahr sein, dachte Wallander. Gäbe es nur die geringste Möglichkeit für das Unwahrscheinliche, müßte er ganz andere Schritte einleiten. Er trat so weit wie |104| möglich ins Zimmer zurück, zielte und warf das Telefonbuch auf den zwischen Grashalmen verborgenen Stachel.
Die Explosion war ohrenbetäubend.
Später wunderte er sich, daß die Fenster nicht zersprungen waren.
Er warf einen Blick auf den Krater im Rasen. Dann eilte er in die Küche, wo er Frau Dunér schreien hörte. Sie stand wie gelähmt mitten im Raum und preßte die Hände auf die Ohren. Er berührte ihre Schulter und führte sie zu einem der Küchenstühle.
»Keine Gefahr«, sagte er. »Ich bin gleich zurück. Muß nur schnell telefonieren.«
Er wählte die Nummer des Polizeigebäudes. Zu seiner Freude meldete sich Ebba.
»Hier ist Kurt«, sagte er atemlos. »Ich muß Martinsson oder Svedberg sprechen. Oder irgendeinen anderen.«
Ebba kannte seine Stimme, das wußte er. Deshalb handelte sie, ohne Fragen zu stellen.
Martinsson meldete sich.
»Hier Kurt. Vermutlich wird gleich Alarm ausgelöst werden, wegen einer Explosion hinter dem Hotel Continental. Kümmere dich darum, daß es ohne Aufsehen abgeht. Ich will hier keine Feuerwehr und keinen Krankenwagen sehen. Schnapp dir jemanden und komm her. Ich bin bei Frau Dunér, Torstenssons Sekretärin, Stickgatan 26. Es ist ein rosa Haus.«
»Was ist denn eigentlich passiert?«
»Das wirst du sehen, wenn du hier bist. Du glaubst mir ja doch nicht, wenn ich es dir erkläre.«
»Versuch es doch.«
Wallander zögerte: »Wenn ich dir sage, daß jemand eine Landmine in Frau Dunérs Garten vergraben hat – glaubst du mir dann?«
»Nein«, antwortete Martinsson trocken.
»Na siehst du.«
Wallander legte auf und ging zur Glastür zurück.
Der Krater auf der Wiese war noch da. Es war keine Einbildung gewesen.
|105| 6
In der Erinnerung würde dieser Tag, Mittwoch, der 3. November, für Kurt Wallander immer etwas Unwirkliches haben. Hätte er es sich je träumen lassen, mitten in Ystad in einem kleinen Garten auf eine vergrabene Landmine zu stoßen?
Als Martinsson das rosa Haus in Begleitung Ann-Britt Höglunds betrat, fiel es ihm immer noch schwer zu glauben, daß wirklich eine Mine explodiert war. Trotzdem hatte er unterwegs Sven Nyberg, den technischen Experten, benachrichtigt. Er kam nur wenige Minuten später. Gemeinsam betrachteten sie den Krater im Rasen. Da sie nicht sicher sein konnten, ob noch weitere Sprengkörper im Garten versteckt waren, hielten sie sich eng an der Hauswand. Ann-Britt Höglund übernahm es, in der Küche mit Frau Dunér zu sprechen, die sich etwas beruhigt hatte.
»Was ist denn nur geschehen?« fragte Martinsson aufgeregt.
»Ich kann dir keine Antwort geben«, erwiderte Wallander.
Mehr Worte waren nicht nötig; sie starrten weiter auf das Loch im Rasen. Die Kriminaltechniker unter Leitung des geschickten, aber leicht cholerischen Sven Nyberg machten sich an die Arbeit.
Zwischendurch wandte sich Nyberg an Wallander: »Was machst du eigentlich hier?«
Wallander hatte plötzlich das Gefühl, mit seiner Rückkehr in den Dienst gegen irgendwelche Regeln verstoßen zu haben. »Ich arbeite hier«, antwortete er und merkte, daß er in Abwehrstellung ging.
»Ich dachte, du würdest aufhören.«
»Das dachte ich auch. Aber ich habe gemerkt, daß ihr ohne mich nicht klarkommt.«
|106| Sven Nyberg setzte zu einer Erwiderung an, doch Wallander hob abwehrend die Hand. »Ich bin nicht so wichtig wie das Loch da im Rasen.«
Gleichzeitig fiel ihm ein, daß Sven Nyberg an verschiedenen U N-Einsätzen im Ausland teilgenommen hatte. »Du bist doch auf Zypern und im Nahen Osten gewesen; du mußt doch wissen, ob der Krater von einer Mine stammt«, sagte Wallander. »Aber verrate uns zuerst, ob es noch mehr Explosionen geben kann.«
»Ich bin kein Hund«, sagte Nyberg und ging an der Hauswand in die Hocke. Wallander berichtete, wie er den Zünder ertastet und dann das Telefonbuch geworfen hatte.
Sven
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