Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
mitgeteilt.«
»Morgen oder nächste Woche?«
»Das möchte ich am Telefon nicht sagen. Seine Reisen unterliegen strengster Verschwiegenheit.«
»Ich bin Polizist«, sagte Wallander scharf und merkte, daß er wütend wurde.
»Wie kann ich das wissen? Sie können sonstwer sein.«
»Ich werde in einer halben Stunde im Schloß sein. Nach wem soll ich dort fragen?«
»Das entscheiden die Wachmänner am Tor. Ich hoffe, Sie können sich ausreichend legitimieren.«
»Was heißt ausreichend?«
»Das entscheiden wir«, antwortete die Frau.
Das Gespräch wurde unterbrochen. Wütend schmetterte Wallander den Hörer auf die Gabel. Die füllige Serviererin, die Gebäck auf einen Teller legte, sah ihn mißbilligend an. Er warf Geldstücke auf den Tisch und ging grußlos davon.
|92| Fünfzehn Kilometer nördlich bog er nach links ab und war bald mitten im dichten Wald auf der Südseite des Linderöd-Bergrückens. Vor der Kreuzung, von der die Zufahrt nach Schloß Farnholm abgehen mußte, bremste er. Eine Granittafel mit goldenen Buchstaben bestätigte, daß er auf dem richtigen Weg war. Die Hinweistafel erinnerte Wallander an einen protzigen Grabstein.
Der Weg zum Schloß war asphaltiert und bestens gepflegt. Zwischen Bäumen versteckt, schlängelte sich ein hoher Zaun dahin. Wallander fuhr langsamer und kurbelte die Scheibe herunter, um besser sehen zu können. Es handelte sich um einen Doppelzaun mit etwa einem Meter Zwischenraum. Kopfschüttelnd kurbelte er die Scheibe wieder hoch. Nach einem weiteren Kilometer machte der Weg eine scharfe Biegung, und schon hielt er vor einem eisernen Tor. Daneben befand sich ein grauer Flachbau, der an einen Bunker erinnerte. Wallander wartete. Nichts geschah. Er hupte. Weiterhin keine Reaktion. Wütend stieg er aus dem Wagen. Irgendwie fühlte er sich durch die Zäune und das geschlossene Tor gedemütigt. Im selben Augenblick trat ein Mann aus der Stahltür des Bunkers. Er trug eine Uniform, die Wallander nie zuvor gesehen hatte. Es fiel Wallander immer noch schwer, sich an all die vielen und ihm unbekannten Wachunternehmen zu gewöhnen, die sich im Land etabliert hatten.
Der Mann in der dunkelroten Uniform kam auf ihn zu. Sie waren ungefähr im selben Alter.
Da erkannte er ihn.
»Kurt Wallander«, sagte der Wachmann. »Wir haben uns ja lange nicht getroffen.«
»Stimmt. Wie lange ist es jetzt her? Fünfzehn Jahre?«
»Zwanzig. Vielleicht mehr.«
Wallander war jetzt der Name des Mannes eingefallen. Sie hatten denselben Vornamen, Kurt. Der andere hieß Ström mit Nachnamen. Einst hatten sie beide in Malmö ihren Polizeidienst versehen. Im Vergleich zu dem damals jungen und unerfahrenen Wallander war Ström der viel Ältere gewesen. Ihr Kontakt hatte sich auf Berufliches beschränkt. Dann war Wallander |93| nach Ystad gezogen; irgendwann hatte er gehört, daß Ström nicht mehr bei der Polizei war. Vage konnte er sich an das Gerücht erinnern, Ström sei gefeuert worden, um etwas zu vertuschen, vielleicht einen Übergriff auf eine verhaftete Person, oder wegen des Verdachts, Diebstähle aus dem Verwahrungsraum des Reviers begangen zu haben. Aber er wußte nichts Genaues.
»Dein Besuch wurde mir bereits angekündigt«, sagte Ström.
»Mein Glück. Man hat mich um eine ausreichende Legitimation gebeten. Welche akzeptierst du?«
»Sicherheit wird auf Schloß Farnholm großgeschrieben. Wir kontrollieren alle, die hereinwollen, sehr genau.«
»Was für Reichtümer verbergen sich denn hier?«
»Keine Reichtümer. Aber hier wohnt ein Mann, der große Geschäfte macht.«
»Alfred Harderberg?«
»Genau. Er hat, was viele gern hätten.«
»Was denn?«
»Wissen, Kenntnisse, Informationen. Das ist mehr wert als eine Banknotendruckerei.«
Wallander nickte; er verstand. Aber die Unterwürfigkeit Ströms vor dem großen Mann berührte ihn unangenehm. »Du warst einmal Polizist«, sagte er. »Ich bin es immer noch. Du verstehst vielleicht, warum ich hier bin?«
»Ich lese Zeitung. Ich nehme an, es hat mit dem Anwalt zu tun.«
»Es sind zwei Anwälte gestorben, nicht nur einer. Aber soweit ich weiß, hatte nur der ältere mit Harderberg zu tun.«
»Er kam oft her«, bestätigte Ström. »Ein freundlicher Mann. Sehr diskret.«
»Am Abend des 11. Oktober war er zum letzten Mal hier. Hattest du da Dienst?«
Ström nickte.
»Ich nehme an, ihr führt Aufzeichnungen über passierende Fahrzeuge oder Personen?«
Ström lachte laut heraus. »Das machen wir schon lange nicht mehr. Wozu
Weitere Kostenlose Bücher