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Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Titel: Wallander 04 - Der Mann, der lächelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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hängte die Jacke in den Flur und ging in die kleine Toilette. Als er sich im Spiegel sah, zuckte er vor seinem unrasierten, rotäugigen und ungekämmten Ebenbild zurück.
    Er fragte sich, welchen Eindruck er wohl auf Schloß Farnholm hinterlassen hatte.
    Während er sich das Gesicht kalt abwusch, überlegte er, wie er Frau Dunér klarmachen sollte, daß er sehr wohl wußte, daß |111| sie ihnen einiges verschwieg. Ich muß freundlich sein, entschied er, sonst sperrt sie sich völlig.
    Er ging in die Küche, wo sie immer noch zusammengesunken auf einem Stuhl saß. Draußen im Garten buddelten die Polizeitechniker. Dann und wann hörte Wallander Nybergs aufgeregte Stimme. Er hatte das Gefühl, genau so einen Augenblick schon einmal erlebt zu haben: die schwindelnde Entdeckung, im Kreis gelaufen und wieder an einem weit in der Vergangenheit liegenden Ausgangspunkt angekommen zu sein. Er schloß die Augen und atmete tief durch. Dann setzte er sich an den Küchentisch und schaute Frau Dunér an. Entfernt erinnerte sie ihn an seine vor Jahren verstorbene Mutter; die grauen Haare und die Haut, die wie schlecht gespannt auf dem mageren Körper lag. Aber dabei fiel ihm auch auf, daß er sich nicht mehr an das Gesicht seiner Mutter erinnern konnte; es war verblaßt, war ihm entglitten.
    »Ich verstehe, daß Sie sehr erregt sind«, begann er. »Aber wir müssen trotzdem miteinander reden.«
    Sie nickte schweigend.
    »Sie entdeckten also heute morgen, daß in der Nacht jemand im Garten gewesen ist?«
    »Das habe ich gleich gesehen.«
    »Was taten Sie da?«
    Sie schaute ihn erstaunt an. »Das habe ich doch schon erzählt. Muß ich denn alles noch einmal wiederholen?«
    »Nicht alles. Beantworten Sie bitte nur meine Fragen.«
    »Es wurde gerade hell. Ich bin eine Frühaufsteherin. Ich schaute in den Garten hinaus. Jemand war dagewesen. Ich rief die Polizei.«
    »Warum haben Sie die Polizei gerufen?« fragte Wallander und beobachtete sie aufmerksam.
    »Was hätte ich sonst tun sollen?«
    »Sie hätten zum Beispiel hinausgehen und nachsehen können.«
    »Das habe ich nicht gewagt.«
    »Warum nicht? Weil Sie wußten, daß dort etwas Gefährliches lauerte?«
    |112| Sie antwortete nicht. Wallander wartete. Von draußen erklang Nybergs irritierte Stimme.
    »Ich glaube, Sie waren mir gegenüber nicht ganz aufrichtig«, sagte Wallander. »Sie verschweigen etwas.«
    Sie beschattete die Augen mit der Hand, als blende sie das Licht in der Küche. Wallander wartete weiter. Die Wanduhr stand auf kurz vor elf.
    »Ich habe schon lange Angst«, sagte sie endlich und schaute Wallander an, als trage er die Verantwortung dafür. Dann hüllte sie sich wieder in Schweigen.
    »Jede Angst hat eine Ursache. Wenn die Polizei herausfinden soll, was mit Gustaf und Sten Torstensson geschehen ist, müssen Sie uns helfen.«
    »Ich kann nicht helfen«, sagte sie.
    Wallander spürte, daß sie jeden Moment zusammenbrechen würde. Trotzdem machte er weiter. »Sie können meine Fragen beantworten. Bitte sagen Sie mir zuerst, warum sie Angst haben.«
    »Wissen Sie, was einen am meisten erschrecken kann?« fragte sie unvermittelt. »Die Angst anderer Menschen. Ich habe dreißig Jahre für Gustaf Torstensson gearbeitet. Ich kannte ihn nicht. Die Veränderung ist mir jedoch aufgefallen. Es war, als ginge plötzlich ein anderer Geruch von ihm aus. Nach Angst.«
    »Wann ist Ihnen das zum ersten Mal aufgefallen?«
    »Vor drei Jahren.«
    »War zu jenem Zeitpunkt etwas Besonderes geschehen?«
    »Alles war wie immer.«
    »Es ist sehr wichtig, daß Sie sich erinnern.«
    »Was glauben Sie eigentlich, was ich die ganze Zeit versuche?«
    Wallander fürchtete, das Gespräch könnte abbrechen. Ihm mußte etwas einfallen. Trotz allem schien sie ja nun bereit, ihm zu antworten. »Und Sie haben nie mit Gustaf Torstensson darüber gesprochen?«
    »Nie.«
    »Auch nicht mit seinem Sohn?«
    |113| »Ich glaube nicht, daß er etwas bemerkt hat.«
    Das könnte stimmen, dachte Wallander. Sie war ja in erster Linie Gustaf Torstenssons Sekretärin.
    »Sie haben keine Erklärung für das Geschehene? Begreifen Sie doch, Sie hätten sterben können, wären Sie in den Garten gegangen. Sie haben also etwas geahnt und deshalb die Polizei gerufen. Sie haben erwartet, daß etwas passieren würde. Und Sie haben keine Erklärung?«
    »Nachts sind Menschen in die Kanzlei gekommen«, berichtete sie stockend. »Wir haben es beide gemerkt, Gustaf und ich. Ein Kugelschreiber lag anders auf dem Tisch, ein

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