Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
der Kanzlei, die Sekretärin eingeschlossen.«
»Wir suchen weiter«, sagte Wallander.
»Über Sten Torstensson weiß ich auch nicht viel mehr«, sagte Per Åkeson. »Junggeselle, ein bißchen altmodisch. Ich habe einmal ein leises Gerücht vernommen, er interessiere sich für Personen gleichen Geschlechts. Aber das hängt man wohl jedem Junggesellen an, der ein bißchen älter ist. Vor dreißig Jahren hätten wir Erpressung vermuten können.«
»Das muß ich mir notieren. Hast du noch etwas?«
»Eigentlich nicht. Ganz selten hat er einen Scherz gemacht. Er war nicht gerade der Typ, den man zum Abendessen einlädt. Aber er soll ein guter Segler gewesen sein.«
Das Telefon klingelte. Per Åkeson meldete sich. Dann reichte er Wallander den Hörer. »Für dich.«
Es war Martinsson, und Wallander merkte sofort, daß etwas Wichtiges geschehen war, denn sein sonst so ruhiger Kollege sprach laut und schnell.
»Ich bin hier in der Anwaltskanzlei. Wir haben vielleicht gefunden, wonach wir suchten.«
»Was?«
»Drohbriefe.«
»Gegen wen?«
»Gegen alle drei.«
»Frau Dunér auch?«
»Ja.«
»Ich komme.«
|119| Wallander reichte den Hörer an Per Åkeson zurück und stand auf. »Martinsson hat Drohbriefe gefunden, du könntest recht haben.«
»Ruf mich hier oder zu Hause an, sobald du etwas zu berichten hast.«
Wallander ging direkt hinaus zu seinem Wagen, ohne die Jacke zu holen, die noch in seinem Büro lag. Auf dem Weg zur Kanzlei überschritt er mehrfach die zulässige Geschwindigkeit. Sonja Lundin saß an ihrem Platz, als er hereinstürmte.
»Wo sind sie?« fragte er.
Sonja Lundin zeigte auf das Konferenzzimmer. Wallander riß die Tür auf – er hatte die Anwesenheit der Experten von der Anwaltskammer total vergessen. Drei ernste Herren, alle über sechzig, nahmen seinen Auftritt mißbilligend zur Kenntnis. Wallander erinnerte sich an das unrasierte Gesicht in Frau Dunérs Spiegel. Es war kaum anzunehmen, daß sein Aussehen inzwischen an Attraktivität gewonnen hatte.
Martinsson und Svedberg saßen am Tisch und erwarteten ihn.
»Das ist Kommissar Wallander«, stellte Svedberg vor.
»Ein im ganzen Lande bekannter Fachmann«, sagte einer der Vertreter der Anwaltskammer und grüßte. Wallander gab auch den beiden anderen die Hand und setzte sich.
»Ich bin gespannt«, sagte Wallander und schaute Martinsson auffordernd an.
Das Wort ergriff jedoch einer der drei Herren aus Stockholm. »Ich sollte Ihnen vielleicht einleitend die Verfahrensweise erklären, wenn eine Kanzlei liquidiert wird«, sagte der Mann, dessen Name wie Wrede geklungen hatte.
»Das hat Zeit«, unterbrach Wallander. »Lassen Sie uns sofort zur Sache kommen. Sie haben also Drohbriefe gefunden?«
Herr Wrede sah Wallander verstimmt an und hüllte sich in Schweigen. Martinsson schob Wallander einen braunen Umschlag über den Tisch; Svedberg reichte ihm ein Paar Plastikhandschuhe.
»Die Briefe lagen ganz weit hinten in einem Fach des Dokumentenschranks«, |120| sagte Martinsson. »Sie waren in keinem Posteingangsbuch oder Journal verzeichnet.«
Wallander streifte sich die Handschuhe über und öffnete den braunen Umschlag. Er zog zwei Briefe auf weißem Papier heraus und versuchte, die Poststempel auf den Umschlägen zu entziffern. Auf dem einen Kuvert bemerkte er einen schwarzen Fleck, als ob jemand versucht hätte, etwas unleserlich zu machen. Wallander legte die beiden Briefbögen vor sich auf den Tisch. Die mit der Hand geschriebenen Texte waren kurz.
Das Unrecht ist nicht vergessen, keiner von Ihnen soll davonkommen, Sie werden sterben, Gustaf Torstensson, Sten Torstensson und Frau Dunér.
Der andere Brief war noch kürzer und in derselben Handschrift verfaßt.
Bald wird das Unrecht bestraft.
Die Briefe trugen das Datum 19. Juni und 26. August 1992; sie waren mit dem Namen Lars Borman unterzeichnet.
Wallander legte die Schriftstücke vorsichtig zur Seite.
»Wir haben im Register nachgesehen«, sagte Martinsson. »Weder Gustaf noch Sten Torstensson hatte einen Klienten namens Lars Borman.«
»Das ist korrekt«, bestätigte Herr Wrede.
»Ein begangenes Unrecht«, überlegte Martinsson laut. »Und es muß etwas Schwerwiegendes gewesen sein, sonst hätte er ja kein Motiv, allen dreien anzudrohen, sie umzubringen.«
»Das stimmt«, murmelte Wallander. Wieder hatte er das Gefühl, etwas einordnen zu müssen, was sich seinem Verständnis entzog.
»Zeig mir, wo ihr den Umschlag gefunden habt«, sagte er.
Svedberg führte
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