Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
daß ich in Panik verfiel. Aber jetzt denke ich, daß es auch nützlich war. Ich habe etwas getan, was ich schon längst hätte tun sollen.«
Aus einem der Papierstapel zog er einen Zettel und schob ihn über den Tisch. Es war eine Anzeige, in der mehrere U N-Organe juristisch qualifizierte Personen für Auslandseinsätze |116| suchten, unter anderem für Flüchtlingslager in Afrika und Asien.
»Ich habe mich beworben«, sagte Per Åkeson. »Dann habe ich die ganze Sache vergessen. Vor knapp einem Monat jedoch wurde ich plötzlich zu einem Gespräch nach Kopenhagen gebeten. Eventuell kann ich einen Zweijahresvertrag für ein großes Flüchtlingslager in Uganda bekommen.«
»Nutze die Chance«, sagte Wallander. »Was sagt deine Frau dazu?«
»Sie hat noch keine Ahnung. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, wie sie reagieren wird.«
»Du mußt es ihr sagen.«
Per Åkeson nahm die Füße vom Tisch und schob ein paar Unterlagen zur Seite.
Wallander berichtete von der Explosion in Frau Dunérs Garten.
Der Staatsanwalt schüttelte ungläubig den Kopf. »Das ist doch nicht möglich.«
»Nyberg war ziemlich sicher«, entgegnete Wallander. »Und er hat meistens recht, wie du weißt.«
»Was denkst du über diesen verworrenen Fall? Ich habe mit Björk gesprochen. Und ich bin natürlich dafür, daß ihr den Autounfall von Gustaf Torstensson wieder aufgreift. Aber habt ihr wirklich keine Spur?«
Wallander überlegte gut, bevor er antwortete. »Wir können nur in einer Beziehung sicher sein: Es war kein eigentümlicher Zufall, der die beiden Anwälte das Leben gekostet und eine Mine in Frau Dunérs Garten gelegt hat. Wir haben es mit einem geplanten Verbrechen zu tun, von dem wir weder Anfang noch Ende kennen.«
»Du meinst also, daß die Mine in Frau Dunérs Garten nicht als Schreckschuß gedacht war?«
»Wer die Mine gelegt hat, wollte Frau Dunér töten. Sie muß geschützt werden. Möglicherweise muß sie ihr Haus verlassen.«
»Ich kümmere mich darum«, sagte Per Åkeson. »Ich rede mit Björk.«
|117| »Sie hat Angst. Und ich bin jetzt sicher, daß sie nicht weiß, warum. Zunächst dachte ich, daß sie etwas verschweigt, aber sie weiß auch nicht mehr als wir alle. Kannst du mir etwas über Gustaf und Sten Torstensson erzählen? Du mußt doch viel mit ihnen zu tun gehabt haben in all den Jahren.«
»Gustaf Torstensson war ein Original. Und der Sohn war auf dem besten Weg, in die Fußstapfen des Vaters zu treten.«
»Ich glaube, alles beginnt mit Gustaf Torstensson. Aber frag mich nicht, warum.«
»Mit ihm hatte ich sehr wenig zu tun. Seine Auftritte als Verteidiger im Gerichtssaal waren vor meiner Zeit. In den letzten Jahren hat er sich offenbar fast ausschließlich mit ökonomischer Beratung beschäftigt.«
»Ja, für Alfred Harderberg, den Herrn von Schloß Farnholm. Auch das kommt mir eigentümlich vor, ein unbedeutender Anwalt aus Ystad und ein Unternehmer mit einem internationalen Finanzimperium.«
»Wenn ich es richtig verstanden habe, ist es eine der Stärken Harderbergs, sich mit den richtigen Mitarbeitern zu umgeben. Wahrscheinlich hat er an Gustaf Torstensson etwas entdeckt, was allen anderen entgangen war.«
»Und Alfred Harderberg hat eine blütenweiße Weste?«
»Soweit ich weiß, ja. Das mag seltsam anmuten; es wird ja behauptet, daß sich hinter jedem Vermögen ein Verbrechen verbirgt. Aber Alfred Harderberg scheint tatsächlich ein unbescholtener Mitbürger zu sein. Der außerdem noch ein Herz für Schweden hat.«
»Inwiefern?«
»Er läßt nicht alle seine Investitionen ins Ausland fließen. Er hat sogar Betriebe in anderen Ländern stillgelegt und die Produktion hierherverlagert. Das ist heutzutage ungewöhnlich.«
»Also fällt kein Schatten auf Schloß Farnholm«, meinte Wallander nachdenklich. »Gab es denn Flecken auf Gustaf Torstenssons Weste?«
»Absolut keine. Er war redlich, pedantisch, langweilig. Ehrbar auf die altmodische Art. Kein Genie, aber auch kein |118| Dummkopf. Diskret. Er hat beim Aufwachen sicher niemals nach dem Sinn des Lebens gefragt.«
»Dennoch wurde er ermordet.
Einen
Fleck muß es gegeben haben. Vielleicht nicht auf seiner Weste, aber auf der eines anderen.«
»Ich bin nicht ganz sicher, ob ich verstehe, was du meinst«, sagte Per Åkeson.
»Es ist doch beim Anwalt wie beim Arzt«, sagte Wallander. »Er kennt die Geheimnisse vieler Menschen.«
»Wahrscheinlich hast du recht. In irgendeinem Klientenverhältnis liegt die Lösung. Und sie betrifft alle in
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