Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
ihn zu einem geräumigen Dokumentenschrank in dem Raum, wo Frau Dunérs Schreibtisch stand, und wies auf eine der unteren Schubladen. Wallander zog sie heraus. Sie war für eine Hängeregistratur eingerichtet.
»Hol Sonja Lundin«, sagte er.
Als sie mit Svedberg den Raum betrat, sah Wallander, daß sie sehr nervös war. Dennoch war er überzeugt, daß sie nichts |121| mit den mysteriösen Geschehnissen in der Kanzlei zu tun hatte.
»Wer besaß den Schlüssel zu diesem Schrank?« fragte er.
»Frau Dunér«, antwortete Sonja Lundin mit kaum hörbarer Stimme.
»Sprechen Sie bitte lauter.«
»Frau Dunér«, wiederholte sie.
»Nur sie?«
»Die Anwälte hatten eigene Schlüssel.«
»War der Schrank verschlossen?«
»Frau Dunér öffnete ihn, wenn sie morgens kam, und schloß wieder ab, wenn sie ging.«
Herr Wrede mischte sich in das Gespräch. »Wir haben von Frau Dunér den Schlüssel von Sten Torstensson bekommen und heute aufgeschlossen.«
Wallander nickte.
Da war noch etwas, was er fragen sollte. Aber er kam nicht darauf, was es war.
Statt dessen wandte er sich an Wrede. »Was halten Sie von diesen Drohbriefen?«
»Der Mann muß natürlich sofort verhaftet werden.«
»Danach habe ich nicht gefragt. Ich möchte Ihre Meinung erfahren.«
»Anwälte geraten oft in heikle Situationen.«
»Soll ich daraus schließen, daß jeder Anwalt früher oder später diese Sorte Brief erhält?«
»Die Anwaltskammer kann Ihnen möglicherweise eine entsprechende Statistik zur Verfügung stellen.«
Wallander sah ihn lange an, bevor er seine letzte Frage stellte. »Haben Sie jemals einen Drohbrief erhalten?«
»Das ist vorgekommen.«
»Weshalb?«
»Darüber spreche ich nicht. Damit würde ich meine Schweigepflicht als Anwalt verletzen.«
Wallander nickte. Dann steckte er die Kuverts in den braunen Umschlag zurück. »Das hier nehmen wir mit«, sagte er zu den drei Herren von der Anwaltskammer.
|122| »Ganz so einfach geht das nicht«, meinte Herr Wrede, der eine Art Wortführer zu sein schien. Er war aufgestanden, und Wallander hatte den Eindruck, sich im Gerichtssaal zu befinden.
»Möglicherweise geraten wir jetzt in einen Interessenkonflikt«, sagte Wallander und wunderte sich über seine Wortwahl. »Sie sind hier, um zu entscheiden, was mit der Hinterlassenschaft der Kanzlei, wenn ich es einmal so ausdrücken darf, geschehen soll. Gleichzeitig wollen wir den oder die Mörder finden. Dieser braune Umschlag steht also zunächst uns zur Verfügung.«
»Wir können nicht akzeptieren, daß irgendein Dokument aus der Kanzlei entfernt wird, bevor wir nicht mit dem Staatsanwalt Kontakt aufgenommen haben, der die Voruntersuchung leitet.«
»Dann rufen Sie Per Åkeson an«, sagte Wallander. »Und grüßen Sie von mir.«
Dann nahm er den Umschlag und verließ den Raum. Martinsson und Svedberg schlossen sich eilig an.
»Jetzt gibt es Ärger«, sagte Martinsson, und es klang, als könnte er sich mit dem Gedanken durchaus anfreunden.
Als sie aus dem Haus kamen, war der Wind böig. Wallander fror. »Was tun wir? Wo steckt eigentlich Ann-Britt Höglund?«
»Kind krank«, sagte Svedberg lakonisch. »Hansson würde in die Hände klatschen, wenn er es mitbekäme. Er hat die ganze Zeit behauptet, daß Frauen bei der Kripo nichts zu suchen haben.«
»Hansson hat immer das eine oder andere behauptet«, sagte Martinsson. »Polizisten, die sich ständig auf Fortbildungskursen rumdrücken, sind auch keine große Hilfe bei der Aufklärung von Verbrechen.«
»Die Briefe sind zwei Jahre alt«, sagte Wallander. »Wir haben einen Namen, Lars Borman. Er droht, Gustaf und Sten Torstensson umzubringen. Und Frau Dunér. Er schreibt einen Brief, zwei Monate später einen weiteren. Der eine Brief steckt in einer Art Firmenkuvert. Sven Nyberg ist geschickt. Ich glaube, er kann uns sagen, was auf dem Kuvert steht. Und natürlich |123| sind die Briefe abgestempelt. Ich weiß nicht, worauf wir eigentlich noch warten.«
Sie fuhren zum Polizeigebäude zurück. Während Martinsson Sven Nyberg anrief, der immer noch in Frau Dunérs Garten herumbuddelte, versuchte Wallander, die Poststempel zu entziffern.
Svedberg übernahm es, in den Zentralregistern der Polizei nach dem Namen Borman zu fahnden. Als Sven Nyberg eine Viertelstunde später Wallanders Büro betrat, war er blaugefroren und hatte in Kniehöhe dunkle Grasflecken am Overall.
»Wie geht es voran?« fragte Wallander.
»Langsam«, antwortete Nyberg. »Eine Mine zersplittert in
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