Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
Dennoch war ihm bewußt, daß diese Spielregeln überall in der Gesellschaft galten. Immer gab es jemanden, der offen oder unausgesprochen von oben diktierte, was der unter ihm Stehende zu tun hatte. Er erinnerte sich, in seiner Kindheit Arbeiter gesehen zu haben, die mit der Mütze in der Hand stehenblieben, wenn jemand, der über ihr Leben bestimmte, vorbeiging. Er dachte daran, wie sein Vater vor den Seidenrittern gedienert hatte.
Auch ich halte eine Mütze in der Hand, dachte Wallander. Ich merke es nur manchmal nicht.
Sie versammelten sich um den Tisch im Konferenzraum. Wütend präsentierte Svedberg den Entwurf für eine neue Uniform, der an alle Polizeidienststellen verteilt worden war.
|232| »Schau mal, so werden wir in Zukunft herumlaufen«, sagte er, an Wallander gewandt.
»Du glaubst doch wohl selbst nicht, daß sie uns in solche Uniformen stecken.«
»Ann-Britt hat keine so negative Einstellung wie wir«, sagte Svedberg. »Sie meint, daß die neuen Klamotten schick aussehen könnten.«
Björk nahm, wie gewöhnlich, an der Stirnseite des Tisches Platz und signalisierte, daß die Besprechung beginnen konnte. »Per kann leider nicht dabeisein; er versucht, die Bankräuberzwillinge vom vergangenen Jahr hinter Gitter zu bringen.«
»Welche Zwillinge?« fragte Wallander.
»Ist es denn die Möglichkeit, da hat jemand nicht mitbekommen, daß die Handelsbank von zwei Männern ausgeraubt wurde, die, wie sich später herausstellte, Zwillinge waren!« rief Björk.
»Ich war ein Jahr nicht im Dienst.«
»Wir haben sie einige Zeit später geschnappt«, sagte Martinsson. »Sie hatten an einer der ausgezeichneten Hochschulen des Landes eine solide ökonomische Ausbildung genossen. Nun benötigten sie Startkapital, um ihre Ideen zu realisieren. Sie dachten wohl an ein mobiles Sommerparadies an der Südküste.«
»Die Idee ist gar nicht so dumm«, meinte Svedberg nachdenklich und kratzte sich am Kopf.
Wallander schaute in die Runde. »Alfred Harderberg hat anrufen lassen«, begann er. »Ich fahre heute abend mit Martinsson nach Schloß Farnholm. Es besteht ein gewisses Risiko, daß Harderberg seine Reisepläne noch einmal ändert. Aber ich habe zu verstehen gegeben, daß unsere Geduld nicht grenzenlos ist.«
»Könnte ihn das nicht mißtrauisch machen?« fragte Svedberg.
»Ich habe darauf hingewiesen, daß es sich um eine Routinebefragung handelt. Schließlich war er es, den Gustaf Torstensson an dem Abend, als er starb, besucht hatte.«
»Es wird auch langsam Zeit, daß er sich äußert«, sagte Martinsson. |233| »Wir müssen uns nur gut überlegen, welche Fragen wir ihm stellen.«
»Wir haben den Tag noch vor uns«, sagte Wallander. »Man wird uns vom Schloß aus mitteilen, ob er wirklich kommt.«
»Wo steckt er denn diesmal?« fragte Martinsson.
»Barcelona.«
»Er besitzt dort Immobilien«, sagte Svedberg. »Außerdem ist er an einem Feriendorf beteiligt, das zur Zeit vor Marbella errichtet wird. Das läuft alles über eine Firma, die Casaco heißt. Ich habe irgendwo einen Prospekt gesehen. Ich glaube, das Ganze wird von einer Bank in Macao gesteuert. Wo immer das liegen mag.«
»Weiß ich auch nicht«, sagte Wallander. »Ist aber jetzt nicht so wichtig.«
»Macao liegt südlich von Hongkong«, sagte Martinsson. »Habt ihr in Erdkunde gefehlt?«
Wallander goß sich ein Glas Wasser ein, und die Besprechung nahm ihren gewohnten Verlauf. Einer nach dem anderen berichtete, was seit ihrer letzten Zusammenkunft auf seinem speziellen Arbeitsgebiet passiert war. Martinsson informierte über Ann-Britt Höglunds Ergebnisse. Die wichtigste Nachricht war, daß sie am folgenden Tag Lars Bormans Kinder und seine Witwe treffen würde, die zu Besuch in Schweden weilte. Als Wallander an der Reihe war, erzählte er ausführlich von dem Plastikbehälter. Er merkte bald, daß seine Kollegen nicht verstanden, warum gerade dieses Detail so wichtig sein konnte. Vielleicht ist es gut so, dachte er. Dadurch erhalten auch meine Erwartungen einen Dämpfer.
Nach ungefähr einer halben Stunde mündete das Gespräch in eine allgemeine Diskussion. Alle stimmten mit Wallander überein, alle losen Enden, die nicht unmittelbar auf Schloß Farnholm wiesen, zunächst ruhen zu lassen.
»Wir warten immer noch auf die Berichte der Wirtschaftsspezialisten aus Stockholm und Malmö«, sagte Wallander, als die Besprechung zum Ende kam. »Wir können feststellen, daß es für die Morde an Gustaf und Sten Torstensson keine erkennbaren
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