Wallander 07 - Mittsommermord
davon, welche Maßnahmen landesweit geplant waren, um der ständig wachsenden Zahl gefälschter Kreditkarten Herr zu werden. Abwesend las Wallander, was über die Fälschungsfabriken geschrieben wurde, die in einigen asiatischen Ländern ausgehoben worden waren.
Das zweite Papier enthielt die Auswertung eines Versuchs mit Pfefferspray, der seit 1994 lief und in diesem Sommer beendet worden war. Bedrohte Frauen hatten unter gewissen Bedingungen bei der örtlichen Polizei dieses Spray erhalten. Obwohl Wallander den Text zweimal las, wurde ihm nicht klar, zu welchem Ergebnis man eigentlich gekommen war. Mit einem Achselzucken ließ er die beiden Schriftstücke im Papierkorb verschwinden. Die Tür war angelehnt, und er hörte Stimmen im Korridor. Eine Frau lachte. Wallander lächelte. Das war ihre Chefin, Lisa Holgersson. Viele der Kollegen waren ursprünglich skeptisch gewesen, als eine Frau ihre oberste Vorgesetzte wurde. Aber Wallander hatte schon früh Respekt vor ihr bekommen. Und dieser erste Eindruck hatte sich bestätigt.
|36| Die Uhr zeigte halb acht. Das Telefon klingelte. Es war Ebba aus der Anmeldung. »Wie ist es gelaufen?« fragte sie.
»Das Haus ist noch nicht verkauft«, antwortete er. »Aber es geht sicher gut.«
»Ich rufe an, um zu fragen, ob du um halb elf eine Studiengruppe empfangen kannst.«
»Eine Studiengruppe im Sommer?«
»Es handelt sich um eine Gruppe pensionierter Seeoffiziere, die sich im August hier in Schonen treffen. Sie scheinen irgendeine Vereinigung zu sein. ›Die Seebären‹ nennen sie sich.«
Wallander dachte an seinen Arztbesuch. »Du mußt jemand anders fragen«, antwortete er. »Zwischen halb elf und zwölf bin ich nicht da.«
»Dann rede ich mit Ann-Britt«, sagte Ebba. »Alte Seeoffiziere sind sicher begeistert von einer Polizistin.«
»Oder genau das Gegenteil«, erwiderte Wallander.
Um kurz vor acht hatte er noch nichts anderes getan, als auf dem Stuhl zu schaukeln und aus dem Fenster zu sehen. Die Müdigkeit wich nicht aus seinem Körper. Er machte sich Sorgen, was der Arzt sagen würde. Waren die Müdigkeit und seine ständigen Krämpfe ein Zeichen dafür, daß er ernstlich krank war?
Er stand auf und ging den Korridor entlang zu einem der Sitzungszimmer. Martinsson wartete schon. Er hatte frisch geschnittene Haare und war gebräunt. Wallander dachte an die Geschichte vor fast zwei Jahren, als Martinsson drauf und dran gewesen war, den Polizistenberuf an den Nagel zu hängen. Seine Tochter war auf dem Schulhof überfallen worden, einzig und allein deshalb, weil ihr Vater Polizist war. Doch Martinsson war geblieben. Für Wallander war er noch immer der jüngste, der als Anfänger ins Polizeipräsidium gekommen war. Obwohl er inzwischen einer von denen war, die am längsten in Ystad arbeiteten.
Sie setzten sich und redeten übers Wetter. Es war fünf nach acht.
»Wo zum Teufel bleibt Svedberg?« fragte Martinsson.
Sein Erstaunen war verständlich. Svedberg war für seine Pünktlichkeit bekannt.
»Hast du mit ihm gesprochen?«
|37| »Er war nicht mehr da, als ich mit ihm reden wollte. Aber ich habe eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen.«
Wallander nickte zum Telefon, das auf dem Tisch stand. »Am besten rufst du noch einmal an.«
Martinsson wählte die Nummer. »Wo steckst du?« sagte er. »Wir warten.«
Er legte wieder auf. »Immer noch der Anrufbeantworter.«
»Er ist sicher unterwegs«, meinte Wallander. »Wir können ja schon mal anfangen.«
Martinsson blätterte in einem Stapel Papiere. Dann schob er Wallander eine Postkarte zu. Eine Luftaufnahme der Innenstadt von Wien.
»Diese Postkarte lag also am Dienstag im Briefkasten der Familie Hillström. Am 6. August. Wie du siehst, schreibt Astrid Hillström, daß sie ein wenig länger fortbleiben wollen als geplant. Daß alles in Ordnung sei und die anderen grüßen ließen. Sie bittet ihre Mutter, bei den Eltern der anderen anzurufen und zu bestellen, daß es allen gutgehe.«
Wallander las die Karte. Die Handschrift erinnerte ihn an Lindas. Abgerundete Buchstaben. Er legte die Karte zurück. »Und Eva Hillström ist also hergekommen?«
»Sie stürmte geradezu herein. Daß sie besorgt ist, wußten wir ja schon. Aber diesmal war es schlimmer als vorher. Sie hat ganz offensichtlich Angst. Sie ist sich ihrer Sache sicher.«
»Welcher Sache?«
»Daß etwas passiert ist. Daß ihre Tochter diese Karte nicht geschrieben hat.«
Wallander überlegte:»Ist es die Handschrift? Der
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