Wallander 07 - Mittsommermord
Übersicht von dir. Und am besten auch ein paar Tips.«
Wallander nickte. Sie verabredeten einen Termin am nächsten Tag. Dann holten sie sich Kaffee und setzten sich in der Kantine an ein offenes Fenster. »Wie war dein Urlaub?« fragte er.
Plötzlich hatte sie Tränen in den Augen. Wallander wollte etwas sagen, aber sie hob abwehrend die Hand.
»Nicht gut«, sagte sie. »Aber ich möchte nicht darüber sprechen.«
Sie nahm ihre Kaffeetasse und stand abrupt auf. Wallander sah ihr nach, blieb aber sitzen. Wunderte sich über ihre Reaktion.
Wir wissen nicht viel, dachte er. Weder die anderen über mich, noch ich über die anderen. Wir arbeiten zusammen. Vielleicht ein ganzes Berufsleben lang. Aber was wissen wir eigentlich voneinander? Nichts.
Er schaute auf die Uhr. Er hatte noch Zeit. Aber er entschied sich dennoch dafür, das Präsidium zu verlassen und zu Fuß zur Arztpraxis in der Kapellgata zu gehen.
Er war beunruhigt. Es war wohl auch Furcht.
Der Arzt war jung. Wallander hatte ihn noch nie gesehen. Er hieß Göransson und kam aus dem Norden. Wallander schilderte ihm seine Probleme. Die Müdigkeit, den Durst, den ständigen Harndrang. Er erwähnte auch die immer wiederkehrenden Krämpfe.
Die Antwort des Arztes kam schnell und überraschte ihn.
|43| »Das läßt auf Zucker schließen«, sagte er.
»Zucker?«
»Daß Sie Diabetes haben.«
Für einen Moment war Wallander wie gelähmt. Auf den Gedanken wäre er nie gekommen.
»Sie scheinen auch reichlich Übergewicht zu haben«, meinte der Arzt. »Wir werden schnell herausfinden, ob es stimmt oder nicht. Aber zuerst möchte ich Sie abhören. Wissen Sie, ob Sie an hohem Blutdruck leiden?«
Wallander schüttelte den Kopf. Dann zog er sein Hemd aus und legte sich auf die Untersuchungspritsche.
Das Herz hörte sich normal an. Aber der Blutdruck war zu hoch, 170 zu 105. Er stellte sich auf die Waage. 92 Kilo. Dann schickte der Arzt ihn nach draußen, wo er eine Urinprobe abliefern und sich in den Finger stechen lassen sollte. Die Schwester lächelte. Ihr Aussehen erinnerte ihn an seine Schwester Kristina.
Anschließend ging er wieder zum Arzt hinein.
»Normalerweise sollten Sie einen Blutzuckerwert zwischen 2,5 und 6,4 haben«, sagte der Arzt. »Sie haben 15,3. Das ist entschieden zu hoch.«
Wallander überkam Übelkeit.
»Das erklärt Ihre Müdigkeit«, fuhr der Arzt fort. »Es erklärt Ihren Durst und die Wadenkrämpfe. Und daß Sie andauernd auf die Toilette müssen.«
»Gibt es Medikamente dagegen?« fragte Wallander.
»Zuerst werden wir versuchen, der Sache beizukommen, indem wir Ihre Eßgewohnheiten ändern. Wir müssen auch Ihren Blutdruck senken. Treiben Sie viel Sport?«
»Nein.«
»Dann sollten Sie damit anfangen. Diät und Bewegung. Wenn das nicht hilft, müssen wir weitersehen. Mit diesem Blutzuckerwert ruinieren Sie über kurz oder lang Ihren gesamten Organismus.«
Diabetiker, dachte Wallander. Im Moment kam ihm der Gedanke furchtbar vor. Dr. Göransson schien seine Gefühle nachzuempfinden.
»Das kann man sehr gut behandeln«, beruhigte er ihn. »Sie |44| sterben nicht daran. Jedenfalls nicht so ohne weiteres.« Es wurde ihm noch einmal Blut abgenommen. Außerdem bekam Wallander Diätlisten mit. Schon am Montag sollte er wiederkommen. Um halb zwölf verließ er die Praxis. Er ging zum alten Friedhof und setzte sich auf eine Bank. Noch war ihm nicht ganz ins Bewußtsein gedrungen, was der Arzt gesagt hatte. Er suchte seine Brille und begann, die Diätlisten zu studieren.
Um halb eins war er wieder im Präsidium. In der Anmeldung lagen ein paar Telefonmitteilungen für ihn. Aber nichts davon war so wichtig, daß es nicht warten konnte. Im Flur traf er Hansson.
»Ist Svedberg aufgetaucht?«
»Wieso, ist er weg?«
Wallander sagte nichts mehr. Um kurz nach eins sollte Frau Hillström kommen. Er klopfte an Martinssons halb offene Tür, doch er war nicht im Zimmer. Auf dem Schreibtisch lag die dünne Aktenmappe von ihrer Besprechung vom heutigen Vormittag. Wallander nahm sie mit in sein Zimmer. Er blätterte rasch noch einmal die Papiere durch und betrachtete die drei Postkarten. Aber es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Die ganze Zeit ging ihm durch den Kopf, was der Arzt gesagt hatte.
Ebba rief aus der Anmeldung an und sagte, Frau Hillström sei gekommen. Wallander ging hinunter und holte sie ab. Eine Gruppe munterer älterer Herren befand sich auf dem Weg hinaus. Wallander nahm an, daß es die Seeoffiziere
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