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Wallander 07 - Mittsommermord

Wallander 07 - Mittsommermord

Titel: Wallander 07 - Mittsommermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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waren, die ihren Studienbesuch beendet hatten.
    Eva Hillström war groß und mager. Ihr Gesichtsausdruck war wachsam. Wallander hatte schon von ihrem ersten Besuch her den Eindruck eines leicht zu ängstigenden Menschen, der stets das Schlimmste erwartete.
    Er gab ihr die Hand und bat sie, ihm zu seinem Büro zu folgen. Unterwegs fragte er, ob sie Kaffee haben wolle.
    »Ich vertrage keinen Kaffee. Mein Magen.«
    Sie setzte sich auf den Besucherstuhl, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
    Sie erwartet, daß ich Neuigkeiten habe, dachte Wallander. Und sie rechnet damit, daß es schlechte sind.
    Er setzte sich an den Schreibtisch. »Gestern haben Sie mit meinem |45| Kollegen gesprochen«, begann er. »Sie haben eine Postkarte hiergelassen, die vor ein paar Tagen kam. Von Ihrer Tochter Astrid unterschrieben, in Wien abgestempelt. Aber Sie glauben, daß es nicht die Schrift Ihre Tochter ist. Ist das richtig?«
    »Ja.«
    Ihre Antwort kam sehr bestimmt.
    »Meinem Kollegen Martinsson zufolge konnten Sie nicht richtig erklären, warum.«
    »Das kann ich auch jetzt nicht.«
    Wallander legte die Karte vor sie hin. »Sie sagten, Handschrift und Namenszug Ihrer Tochter seien leicht zu imitieren.«
    »Versuchen Sie es doch.«
    »Das habe ich schon. Und ich stimme Ihnen zu. Die Schrift ist nicht schwer nachzuahmen.«
    »Warum fragen Sie, wenn Sie es schon wissen?«
    Wallander sah sie einen Augenblick an. Sie war genauso angespannt und unruhig, wie Martinsson gesagt hatte.
    »Ich stelle Fragen, um verschiedene Sachverhalte bestätigt zu bekommen«, erklärte er. »Manchmal kann das nötig sein.«
    Sie nickte ungeduldig.
    »Es gibt kaum einen Grund anzunehmen, daß Astrid die Karte nicht geschrieben haben sollte. Oder können Sie noch einen weiteren Grund nennen, warum Sie die Echtheit bezweifeln?«
    »Nein. Aber ich weiß, daß ich recht habe.«
    »Recht womit?«
    »Daß nicht sie die Karte geschrieben hat. Weder diese noch eine von den früheren.«
    Plötzlich sprang sie auf und begann zu schreien. Wallander war vollkommen unvorbereitet auf diesen Ausbruch. Sie beugte sich über den Schreibtisch, packte seine Arme und schüttelte ihn. Die ganze Zeit schrie sie.
    »Warum tut die Polizei nichts? Es muß etwas passiert sein!«
    Mit Mühe gelang es Wallander, sich zu befreien und vom Stuhl hochzukommen.
    »Ich glaube, am besten beruhigen Sie sich erst einmal«, sagte er.
    Doch Eva Hillström schrie weiter. Wallander fragte sich, was diejenigen, die eventuell auf dem Korridor vorbeikamen, wohl |46| dachten. Er ging um den Schreibtisch herum und faßte sie mit einem festen Griff an den Schultern. Dann drückte er sie auf den Besucherstuhl und hielt sie da fest.
    Ihr Ausbruch endete ebenso abrupt, wie er begonnen hatte. Wallander lockerte den Griff um ihre Achseln. Dann kehrte er zu seinem Stuhl zurück. Eva Hillström starrte auf den Fußboden. Wallander wartete. Aber er war heftig aufgerüttelt worden. Etwas an ihren Reaktionen, an ihrer Überzeugung begann ihn anzustecken.
    »Was glauben Sie eigentlich, was passiert ist?« fragte er nach einer Weile.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
    »Es gibt absolut nichts, was für ein Unglück spräche. Oder für etwas anderes.«
    Sie blickte Wallander an.
    »Astrid und ihre Freunde sind auch früher auf Reisen gegangen«, fuhr er fort. »Vielleicht nicht so lange wie diesmal. Sie hatten Autos, sie hatten Geld, sie hatten Pässe. All das haben wir früher erlebt. Außerdem sind Astrid und die anderen in einem Alter, in dem man sich die Freiheit nimmt, seinen Impulsen zu folgen. Ohne vorher groß zu planen. Ich habe selbst eine Tochter, die ein paar Jahre älter ist als Astrid. Ich weiß, wie es sein kann.«
    »Trotzdem bin ich sicher«, beharrte sie. »Ich mache mir wahrscheinlich oft unnötig Sorgen. Aber diesmal stimmt etwas nicht.«
    »Die Eltern der anderen scheinen sich weniger Sorgen zu machen als Sie? Martin Boges und Lena Normans Eltern?«
    »Ich verstehe sie nicht.«
    »Wir nehmen Ihre Besorgnis ernst«, versicherte er. »Und ich verspreche Ihnen, daß wir noch einmal darüber beraten werden, ob wir doch eine Suchaktion einleiten.«
    Seine Worte schienen sie für einen Augenblick zu erleichtern. Doch dann kehrte ihre Unruhe zurück. Ihr Gesicht war ganz offen. Wallander hatte Mitleid mit ihr.
    Das Gespräch war beendet. Sie stand auf. Er geleitete sie zum Ausgang.
    »Es tut mir leid, daß ich die Beherrschung verloren habe«, sagte sie.
    |47| »Das ist nur natürlich, wenn

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