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Wallander 07 - Mittsommermord

Wallander 07 - Mittsommermord

Titel: Wallander 07 - Mittsommermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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gingen ein paar Jugendliche vorbei. Wallander sah ihnen nach. Als er mit seinen Diätlisten und Gewichtsdiagrammen in der Küche gesessen hatte, war es ihm schwergefallen, sich zu konzentrieren. Eva Hillström und ihre Angst gingen ihm nicht aus dem Kopf. Ihr Ausbruch hatte ihn stark berührt. Aus ihren Augen hatte ihn die nackte Angst angesprungen, und |50| diese Angst vor dem, was ihrer Tochter zugestoßen sein konnte, war echt.
    Es kommt vor, daß Eltern ihre Kinder überhaupt nicht kennen, dachte er. Aber es kommt ebensooft vor, daß Eltern ihr Kind besser kennen als irgend jemand sonst. Dies scheint bei Eva Hillström und ihrer Tochter der Fall zu sein.
    Er ging zurück in die Wohnung und ließ die Balkontür offenstehen.
    Da war es wieder, das Gefühl, etwas zu übersehen. Etwas, was ihm mit einem Schlag die Augen dafür öffnete, wie sie weiter vorgehen mußten, und sie zu einer polizeilich gut begründeten Schlußfolgerung führte. Unabhängig von Eva Hillströms Besorgnis.
    Er ging in die Küche, um sich Kaffee zu machen. Wischte den Tisch ab und wartete, daß der Kaffee durchlief.
    Das Telefon klingelte. Es war Linda. Sie rief aus dem Restaurant auf Kungsholmen in Stockholm an, in dem sie arbeitete. Er wunderte sich, denn er hatte geglaubt, es sei nur tagsüber geöffnet.
    »Der Besitzer hat umgestellt«, antwortete sie auf seine Frage. »Und ich verdiene mehr, wenn ich abends arbeite. Das Leben ist teuer.«
    Im Hintergrund hörte man Stimmengewirr und Geschepper. Im Moment wußte er überhaupt nicht, was für Pläne Linda hatte. Zunächst hatte sie Möbelpolsterin werden wollen. Dann hatte sie ihr Glück in der Schauspielerei gesucht. Eines Tages war auch das vorbei.
    Sie schien seine Gedanken zu erraten. »Ich habe nicht die Absicht, mein ganzes Leben als Kellnerin zu verbringen«, sagte sie. »Aber ich merke, daß es mir gelingt, Geld zu sparen. Im Winter verreise ich.«
    »Wohin denn?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    Wallander sah ein, daß es keine günstige Gelegenheit für ein ausführliches Gespräch war. Er erwähnte nur, daß Gertrud ausgezogen sei und daß er das Haus von Lindas Großvater jetzt einem Makler übergeben habe.
    |51| »Ich wünschte, wir hätten es behalten«, sagte sie. »Wenn ich nur Geld hätte, würde ich es kaufen.«
    Wallander verstand sie. Linda und ihr Großvater hatten sich immer sehr nahe gestanden. Es hatte Zeiten gegeben, da war er regelrecht eifersüchtig gewesen, wenn er sie zusammen sah.
    »Ich muß Schluß machen«, sagte sie. »Ich wollte nur hören, wie es dir geht.«
    »Alles in Ordnung«, gab Wallander zurück. »Ich war heute beim Arzt. Er hat nichts gefunden.«
    »Hat er nicht gesagt, du müßtest abnehmen?«
    »Doch, aber sonst war alles in Ordnung.«
    »Das muß aber ein netter Arzt gewesen sein. Bist du immer noch so müde wie im Sommer?«
    Sie durchschaut mich, dachte Wallander hilflos. Und warum sage ich es nicht, wie es ist? Daß ich auf dem besten Wege bin, Diabetiker zu werden? Es vielleicht schon bin? Warum habe ich das Gefühl, als müßte ich mich dieser Krankheit schämen?
    »Ich bin nicht müde«, sagte er. »Die Woche auf Gotland war ein Erlebnis.«
    »Ja«, erwiderte sie. »Aber jetzt muß ich aufhören. Wenn du mich hier anrufen willst – abends ist es eine andere Nummer.«
    Er merkte sich die Nummer. Dann beendeten sie das Gespräch. Er nahm den Kaffee mit ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein, stellte ihn aber leise. Er schrieb Lindas neue Nummer auf die Ecke einer Zeitung.
    Er schrieb nachlässig. Ein anderer hätte die Ziffern kaum lesen können.
    Im gleichen Augenblick kam er darauf, was ihm den ganzen Tag diese undefinierbare Unruhe verursacht hatte.
    Er schob die Kaffeetasse fort. Sah zur Uhr. Es war Viertel nach neun. Er überlegte, ob er Martinsson anrufen oder es auf morgen verschieben sollte. Dann entschied er sich. Er ging in die Küche und setzte sich mit dem Telefonbuch an den Tisch. Im Ystad-Teil gab es vier Familien namens Norman. Aber er erinnerte sich an die Adresse, die auf den Papieren in Martinssons Mappe gestanden hatte. Lena Norman und ihre Eltern wohnten in der Käringgata, nördlich vom Krankenhaus. Ihr Vater hieß Bertil und hatte |52| den Titel Direktor. Wallander wußte, daß er eine Firma besaß, die Elemente für Fertighäuser exportierte.
    Er wählte die Nummer. Eine Frau meldete sich. Als Wallander sich vorstellte, versuchte er, es so freundlich wie möglich klingen zu lassen. Er wollte sie nicht

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