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Wallander 07 - Mittsommermord

Wallander 07 - Mittsommermord

Titel: Wallander 07 - Mittsommermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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hast noch mit Isa Edengren sprechen können. Wir wissen sogar, daß sie manchmal ihre Kleider in Kopenhagen ausgeliehen haben. Aber es gibt in dem Ganzen hier noch etwas, was tiefer geht.«
    Sie nahm eine Mappe vom Schreibtisch. Auf der Vorderseite befanden sich ein paar geometrische Zeichen.
    »Sie scheinen Mitglieder einer Sekte gewesen zu sein«, fuhr sie fort. »Deren Wurzeln in Amerika liegen. In Minneapolis scheint es eine Art von Zentrale zu geben. Man bekommt so ein Gefühl, |361| als handle es sich um eine moderne Art von Freimaurerloge. Oder um den Ku-Klux-Klan. Oder etwas anderes. Die Statuten in diesem Aktenordner sind ziemlich erschreckend. Ungefähr so wie die Drohbriefe, mit denen manchmal Menschen zu uns kommen. Wenn sie Kettenbriefe oder Pyramiden unterbrochen haben. Wer das Geheimnis verrät, wird einer grausamen Rache anheimfallen. Und die Rache ist immer ein Todesurteil. Sie bezahlen Abgaben an diese Zentrale, die ihnen mit verschiedenen Vorschlägen hilft, wie sie ihre Feste arrangieren sollen. Wie die Geheimnisse zu bewahren und zu bewachen sind. Wenn ich das Ganze richtig verstanden habe, sollen Menschen, die sich in der Zeit bewegen, in ihrem Todesaugenblick wählen können, in welcher Zeit sie wiedergeboren werden wollen. Es ist nicht gerade angenehm zu lesen. Aber wenn ich überhaupt etwas richtig verstanden habe, dann war Lena Norman eine Art Oberhaupt des schwedischen Ablegers dieser Bewegung.«
    Wallander hatte aufmerksam zugehört. Ann-Britt Höglund hatte wirklich gute Gründe dafür gehabt, ihn zu bitten, nach Lund zu kommen.
    »Hat diese Bewegung einen Namen?«
    »Was es auf schwedisch heißen könnte, weiß ich nicht. Aber in den USA nennen sie sich ›Divine Movers‹. Das religiöse Moment findet sich in ihnen selbst. Das Geheimnis zu bewahren kommt dem Zelebrieren einer Messe gleich. Keine Beiträge an diese Zentrale in Minneapolis zu zahlen gilt praktisch als Vergehen gegen das religiöse Ideenfundament. Also alles ziemlich wirr.«
    »Wie es bei Sekten dieses Typs zu sein pflegt.«
    Wallander blätterte in der Mappe, die sie ihm gegeben hatte. Überall waren geometrische Zeichen. Aber auch Bilder alter Götzenmasken und von gefolterten und zerstückelten Menschen. Er legte die Mappe angewidert weg.
    »Du stellst dir also vor, das, was draußen im Reservat geschehen ist, könnte ein Ergebnis dieser auf Drohungen basierenden internen Rechtsprechung sein? Daß sie irgendwie das Geheimnis verraten hätten? Und deshalb getötet wurden?«
    »Heutzutage kann man von einer solchen Möglichkeit nicht absehen.«
    |362| Sie hatte recht. Vor nicht allzu langer Zeit hatte eine Anzahl Menschen in der Schweiz kollektiven Selbstmord begangen. Dieselbe Sekte hatte dann in Frankreich ein ähnliches Menschenopfer gefordert. In dem Maße, in dem die Zeiten schlechter wurden, stieg die Anzahl von Sekten und Sektenmitgliedern, und ihr Einfluß hatte sich mit rasanter Geschwindigkeit über ganz Europa verbreitet. Schweden war keineswegs verschont geblieben. Noch im Mai hatte Martinsson an einer Konferenz in Stockholm teilgenommen, auf der aus polizeilicher Sicht verschiedene Aspekte des zunehmenden Sektenwesens diskutiert worden waren. An viele gab es kein Herankommen. Sektenmitglieder sammelten sich nicht mehr nur um einzelne verwirrte Verrückte. Jetzt handelte es sich um straff organisierte Unternehmen, die eigene Anwälte beschäftigten und über computergesteuerte Buchführung verfügten. Die Mitglieder verschuldeten sich freiwillig, um Beiträge zu zahlen, die sie sich eigentlich nicht leisten konnten. Es war nicht mehr ohne weiteres möglich, die geistige Erpressung, die häufig ein Bestandteil der Arbeitsmethoden der Sekten war, als kriminelle Tätigkeit einzustufen. Martinsson war von der Konferenz zurückgekommen und hatte Wallander erklärt, daß es einer neuen Gesetzgebung bedürfe, wenn man die Hoffnung nicht aufgeben wollte, diesen geistigen Bauernfängern zu Leibe zu rücken, die von den allenthalben in der Gesellschaft verbreiteten Ohnmachtsgefühlen profitierten.
    Wallander erinnerte sich daran, was er geantwortet hatte. Daß Okkultismus, religiöse Schwärmerei und Weltflucht in Zeiten ökonomischen Niedergangs stets zunahmen. Vor vielen Jahren hatte er eines Abends auf Rydbergs Balkon gesessen und über die berüchtigte Sala-Bande in den dreißiger Jahren diskutiert. In deren Erscheinungsbild hatten Züge von Aberglauben und magische Praktiken mit hineingespielt. Sie waren sich darin

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