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Wallander 07 - Mittsommermord

Wallander 07 - Mittsommermord

Titel: Wallander 07 - Mittsommermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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war der Ranghöhere, ein Kollege aus einer anderen Stadt. Sie jagten einen fünffachen Mörder. Da wollte er nicht von einem Polizisten empfangen werden, der gähnte und sich nur mit Mühe dazu bequemen konnte, zu grüßen.
    Aber er sagte nichts. Er stieg die Treppe hinauf. Abgesehen von einer Wohnung, aus der laute und hämmernde Musik ertönte, wirkte das Haus still und verlassen. Es war noch August. Das Herbstsemester hatte noch nicht begonnen. Die Tür zu Lena Normans Wohnung war angelehnt. Dennoch drückte Wallander auf die Klingel.
    Ann-Britt kam selbst und öffnete. Er versuchte, von ihrem Gesicht abzulesen, was ihn erwartete, doch ohne Erfolg.
    »Es sollte eigentlich nicht so dramatisch klingen am Telefon«, |359| entschuldigte sie sich. »Aber du wirst bestimmt bald verstehen, warum ich wollte, daß du kommst.«
    Er folgte ihr in die Wohnung. Hier war lange nicht gelüftet worden. Es war diese trockene und schwer beschreibbare Luft, die er so häufig in ungelüfteten Betonhäusern antraf. In einer amerikanischen Polizeizeitschrift hatte er gelesen, daß das FBI jetzt Methoden entwickelt hatte, mit denen exakt bestimmt werden konnte, wie lange ein Haus nicht gelüftet worden war. Ob Nyberg diese neue Technik auch zur Verfügung stand, wußte er nicht.
    Beim Gedanken an Nyberg fiel ihm schon wieder ein, daß er Edmundsson das geliehene Geld zurückgeben mußte.
    Die Wohnung bestand aus zwei Zimmern und einer engen Küche. Sie betraten das kombinierte Wohn- und Arbeitszimmer. Staub schwebte in der stillstehenden Luft. Ann-Britt trat an eine der Schmalwände. Wallander folgte ihr. Eine große Anzahl Fotos war hier festgepinnt. Er suchte seine Brille und beugte sich zur Wand. Er erkannte sie sofort. Lena Norman. Verkleidet als Teilnehmerin einer Veranstaltung aus dem 19.   Jahrhundert. Auch Martin Boge war da. Das Bild war im Freien aufgenommen, in einem Schloßpark. Die Schloßfassade aus rotem Ziegel im Hintergrund. Das nächste Bild. Ein anderes Fest. Das Milieu ist ebenfalls verändert. Lena Norman ist wieder dabei. Diesmal auch Astrid Hillström. Wieder sind sie im Freien. Halbnackt. Wallander vermutete, daß es ein Bordell darstellen sollte. Aber weder Lena Norman noch Astrid Hillström machen einen besonders überzeugenden Eindruck in ihren Rollen. Wallander streckte den Rücken und warf einen letzten Blick auf die Wand.
    »Sie spielen Rollen, und sie feiern Feste«, sagte er.
    »Ich glaube, es geht tiefer«, entgegnete sie und trat an einen Schreibtisch, der schräg vor einem der Fenster stand. Der Tisch war übersät mit Mappen und Plastikhüllen.
    »Ich bin dies alles durchgegangen«, erklärte sie. »Nicht besonders gründlich und detailliert, aber was ich gesehen habe, beunruhigt mich.«
    Wallander hob abwehrend die Hand. »Warte noch einen Moment. Ich muß ein Glas Wasser trinken. Und ich muß auf die Toilette.«
    |360| »Mein Vater hatte Diabetes«, sagte sie plötzlich.
    Wallander blieb wie vom Blitz getroffen auf dem Weg zur Tür stehen. »Was meinst du damit?«
    »Wenn man es nicht besser wüßte, könnte man glauben, daß du es auch hättest. So wie du Wasser trinkst und aufs Klo läufst.«
    Einen Augenblick war Wallander nicht weit davon entfernt, aus seiner Verschanzung herauszutreten. Sein Schweigen zu brechen und zuzugeben, daß sie vollkommen recht hatte. Doch statt dessen murmelte er etwas Unverständliches und tat, was er gesagt hatte. Als er in der Küche Wasser getrunken hatte, lief die Wasserspülung auf der Toilette noch immer.
    »Der Schwimmer muß kaputt sein«, meinte er. »Aber das ist wohl kaum unser Problem.«
    Sie sah ihn an, als warte sie noch immer darauf, daß er ihr erzählte, wie es ihm ginge.
    »Du bist beunruhigt«, sagte er. »Warum?«
    »Ich gebe dir eine Übersicht«, entgegnete sie. »Soweit ich die Dinge bisher durchschaue. Aber ich bin davon überzeugt, daß noch mehr dahintersteckt. Wenn man das hier alles der Reihe nach durchgegangen ist.«
    Wallander setzte sich auf einen Stuhl neben dem Schreibtisch. Sie blieb stehen. »Sie verkleiden sich«, begann sie. »Sie feiern ihre Feste. Sie wandern zwischen verschiedenen Epochen und unserer eigenen Zeit hin und her. Dann und wann machen sie Ausflüge in die Zukunft. Aber nicht so häufig. Sicher, weil es viel schwieriger ist. Niemand hat gesehen, wie man sich in tausend Jahren kleidet. Oder fünfzig. Das wissen wir bereits alles über sie. Wir haben mit ihren Freunden gesprochen, die Mittsommer nicht dabei waren. Du

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