Wallander 07 - Mittsommermord
Wallander oder dem Polizeipräsidenten überlassen. Thurnberg schien an den Umgang mit Journalisten gewöhnt zu sein. Die neue Zeit, dachte Wallander. Ob der Gedanke nur boshaft war oder auch eine Portion Neid enthielt, war ihm selbst nicht ganz klar. Aber er hörte genau zu, was Thurnberg sagte. Er konnte nicht bestreiten, daß der Staatsanwalt sich gut auszudrücken verstand.
Danach war er an der Reihe. Er hatte ein paar Stichworte auf einen Zettel gekritzelt. Jetzt konnte er ihn natürlich nicht finden. Aber er sprach von den Waffen. Begann in Ludvika, deutete die Verbindung mit einem anderen Einbruch in Orsa an und erklärte, sie warteten noch auf die Bekräftigung, daß dieselbe Waffe auch auf Bärnsö in den Schären vor Östergötland benutzt worden sei. Während er sprach, dachte er plötzlich an Westin, den Postbootfahrer, der ihn mitgenommen hatte. Warum er an ihn denken mußte, wußte er nicht. Er erwähnte auch den Fund des gestohlenen Bootes. Als er verstummt war, wurden zahlreiche Fragen gestellt. Die meisten beantwortete Thurnberg. Wallander beschränkte |354| sich auf kurze Einwürfe. Ganz hinten im Raum stand Martinsson und hörte zu.
Am Ende meldete sich eine Journalistin von einer der Abendzeitungen zu Wort. Wallander hatte sie noch nie gesehen.
»Die Polizei hat mit anderen Worten keine Spur«, sagte sie und wandte sich direkt an Wallander.
»Wir haben zahlreiche Spuren«, erklärte Wallander. »Aber wir können nicht behaupten, daß die Festnahme eines Tatverdächtigen unmittelbar bevorsteht.«
»Ich habe dennoch den Eindruck, daß die Polizei auf der Stelle tritt. Ich frage mich, wie groß das Risiko ist, daß der Täter erneut zuschlägt. Es ist doch für jedermann offensichtlich, daß es sich hier um einen Geisteskranken handelt.«
»Das wissen wir nicht mit Sicherheit«, antwortete Wallander. »Deshalb arbeiten wir auch auf breiter Front und ohne irgendwelche Vorbehalte.«
»Das hört sich nach einer Strategie an«, entgegnete die Journalistin. »Aber kann es nicht ebensogut ein Ausdruck von Hilflosigkeit sein?«
Wallander warf einen Blick zu Thurnberg hinüber, der ihn mit einem fast unmerklichen Nicken aufforderte fortzufahren.
»Die Polizei ist nie hilflos«, erwiderte Wallander. »Wenn es so wäre, wären wir keine Polizisten.«
»Aber Sie stimmen mir darin zu, daß Sie nach einem Geistesgestörten suchen?«
»Nein.«
»Was denn sonst?«
»Das wissen wir noch nicht.«
»Glauben Sie, daß Sie den Täter fassen?«
»Zweifellos.«
»Wird er wieder zuschlagen?«
»Das wissen wir nicht.«
Es entstand ein kurzes Schweigen. Wallander nutzte die Gelegenheit, um aufzustehen. Es wurde allgemein als Signal aufgefaßt, daß die Pressekonferenz beendet war. Wallander vermutete, daß Thurnberg geplant hatte, sie auf formellere Art und Weise abzuschließen. Doch Wallander hatte den Raum schon verlassen, |355| bevor Thurnberg eine Möglichkeit bekam, mit ihm zu sprechen. In der Anmeldung warteten Fernsehleute, die ihn interviewen wollten. Wallander verwies sie an Thurnberg. Hinterher konnte Ebba ihn darüber informieren, daß Thurnberg sich begeistert vor verschiedenen Kameras geäußert hatte.
Wallander selbst war in sein Zimmer gegangen, um seine Jacke zu holen. Bevor er nach Skårby fuhr, wollte er noch etwas essen. Unentwegt grübelte er darüber nach, warum ihm während der Pressekonferenz der Gedanke an Westin gekommen war. Es mußte etwas zu bedeuten haben. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und versuchte, den Gedanken an die Oberfläche kommen zu lassen. Aber er mußte es schließlich aufgeben. Als er die Jacke angezogen hatte, begann es in der Tasche zu piepen. Hansson rief an.
»Ich habe die Autos gefunden«, sagte er. »Lena Normans und Martin Boges. Auf einem Parkplatz bei Sandhammaren. Ich habe schon mit Nyberg gesprochen. Er ist auf dem Weg.«
»Das bin ich auch.«
An der Ausfahrt von Ystad hielt er an einem Imbißstand und aß. Er hatte sich angewöhnt, große Flaschen Mineralwasser zu kaufen. Natürlich hatte er vergessen, seine Medizin zu nehmen. Er hatte sie auch nicht bei sich. Wütend und viel zu schnell fuhr er zurück in die Mariagata. Im Flur lag Post. Eine Postkarte von Linda, die Freunde in Hudiksvall besucht hatte. Eine andere in einem Umschlag von seiner Schwester Kristina. Wallander nahm die Post mit in die Küche. Auf der Rückseite des Briefumschlags hatte seine Schwester eine Hoteladresse in Kemi angegeben. Wallander wußte, daß es im nördlichen
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