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Wallander 07 - Mittsommermord

Wallander 07 - Mittsommermord

Titel: Wallander 07 - Mittsommermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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dringender gebraucht werde. Wenn wir es schaffen, sollten wir diese Sache hier noch heute an Interpol und die Amerikaner gehen lassen. Martinsson wird begeistert sein von dem Job.«
    »Er träumt wohl davon, Federal Agent in Amerika zu sein. Nicht Kriminalassistent in Ystad.«
    »Träumen tun wir alle«, meinte Wallander in einem unbeholfenen und unnötigen Versuch, Martinsson zu verteidigen. Gleichzeitig begann er, Mappen und Papiere vom Tisch zusammenzulegen. Ann-Britt holte Plastiktüten aus der Küche. Als er gehen wollte, blieben sie in dem engen Flur stehen.
    »Ich habe die ganze Zeit das Gefühl, etwas zu übersehen«, klagte Wallander. »Wir reden ständig davon, daß wir einen Punkt suchen, an dem die Spuren sich kreuzen. Den Berührungspunkt, der irgendwo sein muß. Und ich habe die ganze Zeit das Gefühl, daß ich ihn direkt vor Augen habe. Ohne ihn zu entdecken. Es hat etwas zu tun mit einer Bemerkung, die Westin gemacht hat.«
    »Westin?«
    »Er fuhr mich hinaus nach Bärnsö. Er ist Postbootfahrer in den Schären. Als wir da in seinem Steuerhaus standen. Ich komme nur nicht mehr darauf, was es war.«
    »Warum rufst du ihn nicht an?«
    »Er wird sich kaum daran erinnern, was er gesagt hat.«
    »Vielleicht könnt ihr das Gespräch rekonstruieren? Vielleicht brauchst du nur seine Stimme zu hören, und das, was du vergessen hast, kommt wieder an die Oberfläche.«
    »Du könntest recht haben. Ich rufe ihn an.«
    Dann erinnerte er sich an eine weitere Stimme, die in der Ermittlung vorkam.
    »Was war eigentlich mit Lundberg? Mit der Person, die sich für ihn ausgab? Die im Krankenhaus anrief und fragte, wie es Isa ginge?«
    »Ich habe es an Martinsson abgegeben. Wir haben etwas miteinander getauscht. Ich weiß nicht mehr, was. Ich habe etwas übernommen, was er nicht schaffte. Er versprach, mit der Schwester im Krankenhaus zu reden.«
    |366| Wallander ahnte die versteckte Kritik in ihrer Stimme. Sie hatten zuviel zu tun. Die unerledigten Dinge türmten sich vor ihnen.
    »Es sollten heute Leute aus Malmö kommen«, sagte er. »Vielleicht sind sie schon in Ystad und verschaffen sich einen Überblick.«
    »Bald geht es nicht mehr weiter«, sagte sie. »Man kommt nicht mehr zum Denken, man findet nicht die Ruhe, sich hinzusetzen und ein Detail genau zu betrachten, um zu prüfen, ob man etwas vergessen hat. Wer will noch Polizist sein, wenn es nur noch darum geht, so geschickt wie möglich zu pfuschen?«
    »Keiner«, sagte Wallander, nahm die Plastiktüten und machte sich auf den Weg.
    Die Frau auf dem Rasen war verschwunden. Wallander fuhr zurück nach Ystad. Im Kopf ließ er das Geschehene noch einmal ablaufen. Was bedeutete die Entdeckung in Lena Normans Wohnung? Daß diese Feste Teil von etwas waren, was viel tiefere Wurzeln hatte, als sie bisher geahnt hatten?
    Er dachte an die Zeit vor ein paar Jahren zurück, als Linda sich vorübergehend in einer Art von religiöser Krise befunden hatte. Es war unmittelbar nach seiner Scheidung von Mona. Linda war genauso verloren gewesen wie er selbst. Er hatte spätabends vor ihrer Tür gestanden und heimlich einem entlegenen Murmeln gelauscht, das er als Gebet deutete. Er hatte auch Bücher über die Scientology-Sekte in ihrem Zimmer gefunden. Er war ernsthaft beunruhigt gewesen. Er hatte versucht, mit ihr zu diskutieren, aber vergeblich. Schließlich hatte Mona sich der Sache angenommen. Was eigentlich geschehen war, wußte er nicht. Aber eines Tages hatte das Murmeln hinter ihrer verschlossenen Tür aufgehört. Sie hatte sich wieder auf das konzentriert, wofür sie sich schon vorher entschieden hatte: die Polsterei.
    Ihn schauderte bei dem Gedanken. Viele der in den letzten Jahrzehnten aufgekommenen Sekten waren knallharte Wirtschaftsunternehmen. Religion und Okkultismus waren zu einer Ware unter vielen geworden. Er erinnerte sich, wie sein Vater verächtlich von Seelenfischerei zu sprechen pflegte. Menschen, die in ihrem Unglück falschen Propheten ins Netz gingen und sich dort zu Tode zappelten.
    |367| Konnte die Lösung ihres Falles trotz allem in dem Material liegen, das er in den Plastiktüten bei sich hatte?
    Er trat das Gaspedal noch ein Stück tiefer durch.
     
    Nachdem er ins Präsidium zurückgekommen war, suchte er als erstes Edmundsson und zahlte das Geld zurück, das er am Abend zuvor von ihm geliehen hatte. Dann ging er in das Besprechungszimmer, in dem drei Polizisten aus Malmö von Martinsson in die Ermittlung eingeführt wurden. Einen von ihnen, einen

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