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Wallander 07 - Mittsommermord

Wallander 07 - Mittsommermord

Titel: Wallander 07 - Mittsommermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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am liebsten nicht sehen möchte. Doch wer weiß schon, daß da auf den Bänken ehemalige Ärzte sitzen? Oder Anwälte? Oder warum nicht Polizisten? Der Schnaps hat es gemacht, daß alles den Bach runtergegangen ist. Jetzt liegt die ganze Identität in dieser Plastiktüte. Aber dahinter gibt es noch etwas anderes. Von einem gewissen Punkt an werden Alkoholiker Mitglieder einer Gesellschaft, in der es keine sozialen Unterschiede mehr gibt. Es gibt nur einen Unterschied. Zwischen denen, die Schnaps haben. Und denen, die ihren ausgetrunken und noch keinen neuen haben.«
    »Nils könnte also einen Arzt gekannt haben?«
    »Natürlich. Er kannte Anwälte und Geschäftsleute und Bankdirektoren. Manche soffen heimlich. Schafften es, ihren Job zu behalten. Manchmal sogar, ohne daß jemand davon wußte, daß sie Alkoholiker waren. Einige sind auch ganz davon losgekommen. Aber das sind nicht viele.«
    »Erinnern Sie sich an die Namen dieser Menschen?«
    »An einen Teil. Aber bei weitem nicht an alle.«
    »Ich möchte gern, daß Sie mir eine Liste machen.«
    »Viele von ihnen hatten nur Spitznamen.«
    »Schreiben Sie alles auf, was Ihnen einfällt.«
    »Da brauche ich Zeit zum Nachdenken.«
    Wallander trank den Rest seines Kaffees. »Ich kann heute nachmittag wiederkommen«, sagte er.
    »Aber nicht nach sechs. Länger, glaub’ ich, schaff’ ich es nicht, mich nüchtern zu halten.«
    |387| Sie blickte ihm unverwandt ins Gesicht. Wallander versprach, rechtzeitig zu kommen. Er bedankte sich für den Kaffee und stand auf.
    »Ich frage mich, ob Sie verstehen können, daß einem ein Mensch wie Nisse tatsächlich fehlen kann«, sagte sie langsam. »Er hat sein ganzes Leben lang gesoffen. Hat nie etwas Nützliches getan. Aber um so mehr Ärger gemacht. Und trotzdem fehlt er mir.«
    »Ich glaube schon, daß ich das verstehen kann«, sagte Wallander. »Es gibt immer Seiten an einem Menschen, die zu entdecken nur wenigen gelingt.«
    Er sah, daß sie sich über seine Worte freute. Wie wenig schon ausreicht, dachte er, als er wieder auf die Straße gekommen war. Wie wenig diesen großen Unterschied bewirken kann. Zwischen Distanzierung und einer Form von Verständnis.
    Er ging zu Fuß zum Präsidium hinauf. Es war warm und windstill. Vom Kiosk auf der anderen Straßenseite sprangen ihn die Schlagzeilen an: »Polizei und organisiertes Verbrechen unter einer Decke.« Wallander ging weiter. Was hatte der Vormittag ihm eigentlich gebracht? Nicht viel. Lennart Westin hatte draußen auf seiner Insel Holz gesägt. Doch zu dem, was Wallander suchte, waren sie nicht vorgedrungen. Er war sich nicht einmal sicher, daß es überhaupt existierte. Das Gespräch mit Stig Stridh hatte ihn lediglich zu Rut Lundin geführt, die jetzt versuchen würde, die Namen von Menschen aufzuschreiben, mit denen ihr Mann verkehrt hatte. Wallander hielt mitten auf dem Bürgersteig inne. Ihn überkam das Gefühl, sich auf einem völlig falschen Weg zu befinden. Steuerte er die ganze Ermittlung in eine Sackgasse? Aber wohin sollten sie sich statt dessen wenden?
    Als er ins Präsidium kam, waren seine engsten Mitarbeiter anwesend. Auch die drei Polizisten, die aus Malmö gekommen waren. Wallander nutzte die Gelegenheit und bat sie kurz nach halb elf in den Besprechungsraum. Er begann mit seinen eigenen Bemühungen, Licht in eine zehn Jahre zurückliegende Anzeige gegen Svedberg beim Justiz-Ombudsmann zu bringen. Martinsson konnte in diesem Zusammenhang ergänzen, daß Hugo Andersson, der Polizist, der an jenem Abend zu Stridh gekommen war, mittlerweile als Hausmeister in einer Schule in Värnamo arbeitete. |388| Der Polizist, der damals mit ihm ausgerückt war, hieß Holmström und war inzwischen Revierpolizist in Malmö. Wallander wollte mit beiden Kontakt aufnehmen, bevor er zu Isa Edengrens Eltern hinausfuhr.
    Nach der Sitzung teilte Wallander sich mit Hansson eine Pizza. Er wollte an diesem Tag eigentlich versuchen, einmal mitzuzählen, wieviel Wasser er trank und wie oft er zur Toilette ging. Aber er hatte den Überblick längst verloren.
    Mit Mühe gelang es ihm, Hugo Andersson und Harald Holmström zu erreichen. Das Resultat war mager. Keiner von beiden erinnerte sich an etwas, was Svedbergs Rolle in ein klareres Licht rückte. Beide hatten es als eigenartig empfunden, daß Nils Stridh nicht vor Gericht kam. Aber es war so lange her, und die Details waren ihnen entfallen. Wallander merkte, daß sie nicht schlecht über einen toten Kollegen sprechen wollten. Wenn es

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