Wallander 07 - Mittsommermord
denn etwas Negatives zu sagen gab. Martinsson hatte den Bericht herausgesucht, den sie damals geschrieben hatten. Auch darin fand er nichts, was er nicht bereits wußte.
Um vier Uhr rief er seinen früheren Chef Björk an, der jetzt in Malmö wohnte. Nachdem sie eine Weile Klatsch ausgetauscht und Björk beflissen sein Bedauern über die Situation zum Ausdruck gebrachte hatte, in der sich Wallander und seine Kollegen mit ihren fünf Morden befanden, sprachen sie lange über Svedberg. Björk erklärte, er wolle an der Beerdigung teilnehmen. Wallander war erstaunt, ohne genau zu wissen, warum. Doch was die Beschwerde beim JO anging, konnte Björk nichts sagen. Warum Svedberg die Ermittlung fallengelassen hatte, wußte er nicht mehr. Doch da der Justiz-Ombudsmann das Ganze nicht beanstandet hatte, mußte alles mit rechten Dingen zugegangen sein.
Um halb fünf verließ Wallander das Präsidium, um nach Skårby zu fahren. Zuerst wollte er jedoch die Liste holen, die Rut Lundin hoffentlich zusammengestellt hatte. Sie öffnete sofort, als er klingelte, als habe sie im Flur auf ihn gewartet. Er konnte sehen, daß sie nicht nüchtern war. Sie reichte ihm einen handgeschriebenen Zettel. Das war alles, woran sie sich erinnern konnte. Mehr nicht. Wallander merkte, daß sie ihn nicht hereinlassen wollte. Deshalb dankte er nur und ging.
|389| Auf dem Bürgersteig stellte er sich in den Schatten unter einen Baum und las, was sie mit ihren kindlich gerundeten Buchstaben geschrieben hatte.
Sogleich entdeckte er einen Namen, den er kannte. Er stand ungefähr in der Mitte.
Bror Sundelius.
Wallander hielt den Atem an. Endlich hing etwas mit etwas anderem zusammen. Svedberg, Bror Sundelius, Nisse Stridh. Weiter kam er nicht in seinem Gedankengang. Das Mobiltelefon in seiner Jackentasche summte.
Es war Martinsson. Seine Stimme bebte. »Es ist wieder passiert«, sagte er. »Es ist wieder passiert.«
Es war neun Minuten vor fünf. Samstag, der 17. August.
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Er wußte, daß er ein Risiko einging.
Früher hatte er das nicht getan. Risiken waren etwas für unwürdige Menschen. Er selbst hatte sein Leben der Perfektionierung der Kunst des Entkommens gewidmet. Dennoch konnte er es nicht lassen, sich selbst herauszufordern. Auch die Vorsicht war eine Saite, die reißen konnte, wenn sie nicht von Zeit zu Zeit bis zum Äußersten gespannt wurde.
Das Risiko gab es. Aber er hatte es auf ein absolutes Minimum reduziert. Es war so gering, daß es fast nicht existierte.
Außerdem war das Ziel einfach zu verlockend. Als er die Einladungskarten zu ihrer Hochzeit abgeholt hatte, konnte er sich fast nicht beherrschen. Ihr Glück war so überschäumend, daß es ihn betroffen gemacht hatte, ganz so, als sei er Opfer eines demütigenden Übergriffs gewesen. Was ja auch zutraf.
Dann hatte er den entscheidenden Brief gelesen. Als ihm klar wurde, daß sie sich nach der Trauung in der Kirche und vor dem Hochzeitsessen allein mit dem Fotografen zum Strand begeben wollten, um ihr Hochzeitsfoto aufzunehmen, hatte er sich entschieden. Der Fotograf hatte in dem Brief, der seinen Vorschlag enthielt, eine sehr exakte Beschreibung gegeben. Er hatte eine Kartenskizze beigefügt und darauf die Stelle markiert, die er meinte. Und das Brautpaar hatte zugestimmt. Um vier Uhr sollten die Bilder gemacht werden. Falls das Wetter es zuließ.
Er war zu der Stelle gegangen. Die Beschreibung des Fotografen war so klar, daß er sie nicht verfehlen konnte. Der Strand war langgestreckt. Ein großer Campingplatz grenzte unmittelbar daran. Beim ersten Hinsehen hatte er nicht geglaubt, daß es möglich wäre, das, was ihm vorschwebte, durchzuführen. Doch als er dann zu exakt der Stelle gekommen war, die der Fotograf ausgesucht hatte, erkannte er, daß das Risiko, entdeckt zu werden, nicht übermäßig |391| groß wäre. Die Bilder sollten zwischen einigen hohen Sanddünen aufgenommen werden. Natürlich würden sich andere Menschen am Strand aufhalten. Doch sie würden sich bestimmt zurückhalten, wenn die Fotos gemacht wurden.
Sein einziges Problem war, von welcher Seite er selbst kommen sollte. Zu verschwinden würde einfacher werden. Es waren weniger als zweihundert Meter bis zu einer Stelle, an der er den Wagen abstellen konnte. Für den Fall, daß alles fehlschlug, daß er entdeckt wurde und jemand ihn verfolgte, würde er eine Waffe bereithalten. Sein Wagen konnte auch beobachtet werden. Deshalb plante er drei verschiedene Fahrzeuge ein, zwischen denen er
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