Wallander 08 - Die Brandmauer
auch.«
»Es besteht auch nicht die Möglichkeit, daß beispielsweise die Zeitangabe auf einem Kontoauszug falsch ausgedruckt ist?«
»Davon habe ich noch nie gehört. Vermutlich kommt es vor. Aber es kann nicht oft sein. Wenn es um finanzielle Transaktionen geht, muß der Sicherheitsstandard natürlich optimal sein.«
»Man kann den Automaten also vertrauen?«
»Ist Ihnen etwas Derartiges passiert?«
»Nein. Aber ich mußte Antworten auf diese Fragen haben.«
Winberg öffnete eine seiner Schubladen und suchte etwas. Dann legte er einen Cartoon auf den Tisch, der einen Mann darstellte, der langsam von einem Bankomaten geschluckt wurde.
»Ganz so schlimm ist es also nicht«, lachte er. »Aber die Zeichnung ist gut. Und die Computer der Bank sind natürlich ebenso verwundbar wie alle anderen Computer.«
Da war es wieder, dachte Wallander. Das Reden von der Verwundbarkeit. Er betrachtete die Zeichnung und stimmte Winberg zu. Sie war gut.
»Die Nordbank hat einen Kunden namens Tynnes Falk«, fuhr er fort. »Ich brauche eine Aufstellung über all seine Kontobewegungen während des vergangenen Jahres. Das betrifft auch Geldentnahmen an Automaten.«
»Da müssen Sie sich an eine höhere Ebene wenden«, sagte Winberg. »Über das Bankgeheimnis kann ich nicht entscheiden.«
»Mit wem muß ich sprechen?«
»Mit Martin Olsson am besten. Er sitzt eine Etage höher.« »Können Sie nachsehen, ob ich ihn sprechen kann?«
Winberg verschwand. Wallander stellte sich vor, daß ihm jetzt eine lange und ermüdende bürokratische Prozedur bevorstand.
Doch als Winberg ihn in den ersten Stock gelotst hatte, begegnete Wallander einem ebenfalls erstaunlich jungen Bankdirektor, der ihm zu helfen versprach. Es bedurfte lediglich eines formellen Ersuchens seitens der Polizeibehörde. Als Olsson hörte, daß der Kontoinhaber verstorben war, nannte er noch eine andere Möglichkeit. Die Witwe könnte einen Antrag stellen.
|320| »Er war geschieden«, sagte Wallander.
»In dem Fall reicht ein Schreiben der Polizei aus«, sagte Olsson. »Ich verspreche, daß es dann schnell geht.«
Wallander bedankte sich und ging wieder hinunter zu Winberg. Er hatte noch eine Frage.
»Könnten Sie in Ihrer Kartei nachsehen, ob ein Mann namens Tynnes Falk hier ein Bankfach hatte?«
»Eigentlich weiß ich nicht, ob das erlaubt ist«, erwiderte Winberg zögernd.
»Ihr Chef hat grünes Licht gegeben«, log Wallander.
Winberg verschwand. Nach ein paar Minuten kam er zurück. »Ein Bankfach auf den Namen Tynnes Falk existiert bei uns nicht.«
Wallander stand auf. Aber er setzte sich gleich wieder. Wenn er sowieso schon hier war, konnte er die Sache mit dem Kredit für den Wagen, den er bald kaufen müßte, ebensogut jetzt erledigen.
»Wir machen das mit dem Auto auch gleich«, sagte er. »Sie haben recht. Ich muß sowieso bald einen neuen haben.«
»Wieviel brauchen Sie?«
Wallander überschlug in aller Eile. Andere Schulden hatte er nicht. »Hunderttausend«, sagte er. »Wenn es geht.«
»Kein Problem«, sagte Winberg und streckte sich nach einem Formular.
Um halb zwei war alles klar. Winberg hatte den Kredit selbst bewilligt, ohne ein Plazet von oben einholen zu müssen. Wallander verließ die Bank mit dem trügerischen Gefühl, plötzlich reich geworden zu sein. Als er an der Buchhandlung am Marktplatz vorüberkam, fiel ihm ein, daß dort seit mehreren Tagen ein Buch über Polsterei lag, das er hatte abholen sollen. Zugleich fiel ihm ein, daß seine Brieftasche leer war. Er machte kehrt und ging zum Geldautomaten an der Post, wo er sich ans Ende der Schlange stellte. Vor ihm warteten vier Personen. Eine Frau mit Kinderwagen, zwei Teenager und ein älterer Mann. Wallander schaute abwesend zu, wie die Frau ihre Karte in den Schlitz steckte, ihr Geld nahm und anschließend den Kontoauszug einsteckte. Dann dachte er an Tynnes Falk. Er sah, wie die beiden Teenager einen Hunderter abhoben |321| und danach eifrig den Kontoauszug diskutierten. Der ältere Mann sah sich um, bevor er die Karte in den Schlitz steckte und seine Geheimzahl eingab. Er hob fünfhundert Kronen ab und steckte den Kontoauszug ungelesen in die Tasche. Jetzt war Wallander an der Reihe. Er hob eintausend Kronen ab und las dann den Kontoauszug durch. Alles schien zu stimmen. Summen ebenso wie Datum und Uhrzeit. Er knüllte den Zettel zusammen und warf ihn in einen Papierkorb. Plötzlich blieb er stehen. Er dachte an den Stromausfall, der einen großen Teil Schonens lahmgelegt
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