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Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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verlassenen Eindruck. Warum sie das Gefühl hatte, konnte sie nicht sagen. Niemand öffnete. Nach mehrmaligem Klingeln war sie um das Haus herumgegangen. Sie hatte an die Hintertür geklopft und versucht, durch die Fenster hineinzusehen. Als sie zur Vorderseite zurückkam, stand ein Mann in Morgenrock und hohen Stiefeln vor dem Gartentor. Er bot einen merkwürdigen Anblick, ein Mann im Morgenrock auf der Straße an diesem kühlen Herbstmorgen. Er erklärte, er wohne im Haus gegenüber und habe sie kommen sehen. Dann stellte er sich als Yngve vor. Kein Nachname. Einfach Yngve.
    »Hier ist niemand zu Hause«, sagte er bestimmt. »Nicht einmal der Junge ist da.«
    Das Gespräch an der Gartentür war kurz, aber ergiebig. Yngve war ein Mann, der seine Nachbarn offenbar kontinuierlich unter Aufsicht hielt. Er informierte Ann-Britt als erstes darüber, daß er Sicherheitsbeauftragter für die Krankenpflege gewesen sei, bevor er vor ein paar Jahren in Pension gegangen war. Die Landahls waren fremde Vögel, die sich vor etwa zehn Jahren mit ihrem Sohn hier im Viertel niedergelassen hatten. Sie hatten das Haus von einem Ingenieur bei der Kommune gekauft, der nach Karlstad gezogen war. Was Herr Landahl beruflich machte, wußte Yngve nicht zu sagen. Als sie eingezogen waren, hatten sie es nicht für nötig gehalten, sich ihren Nachbarn vorzustellen. Sie hatten ihre Möbel und den Sohn ins Haus geschafft und die Tür hinter sich zugemacht. Sie hatten sich überhaupt selten gezeigt. Die Eltern hatten den Jungen, der damals zwölf oder dreizehn war, häufig allein gelassen. Sie waren auf lange Reisen Gott weiß wohin gegangen. Dann und wann waren sie plötzlich zurückgekommen, um ebenso plötzlich wieder zu verschwinden. Und der Junge war allein zurückgeblieben. Er grüßte freundlich. Aber er hielt auf Distanz. Kaufte ein, was er brauchte, holte die Post herein und ging abends viel zu spät ins Bett. In einem der Nachbarhäuser wohnte eine Lehrerin seiner Schule. |327| Und sie konnte berichten, daß er gut zurechtkam. So war es weitergegangen. Der Junge wuchs heran, und die Eltern brachen immer wieder auf zu ihren unbekannten Reisezielen. Eine Zeitlang hatte ein Gerücht über einen großen Totogewinn die Runde gemacht, oder vielleicht war es auch Lotto. Einer Arbeit schien keiner von beiden nachzugehen. Aber das Geld schien ja da zu sein. Zuletzt hatten sie sich Mitte September sehen lassen. Seitdem war der Junge, der inzwischen erwachsen war, wieder allein. Doch vor ein paar Tagen war ein Taxi gekommen und hatte auch ihn abgeholt.
    »Das Haus steht also leer?« hatte sie gefragt.
    »Es ist niemand da.«
    »Wann war das mit dem Taxi, das ihn abholte?«
    »Vorigen Mittwoch. Am Nachmittag.«
    Ann-Britt stellte sich den Pensionär namens Yngve vor, wie er in der Küche saß und das Kommen und Gehen seiner Nachbarn notierte. Wenn es keine Züge gibt, auf die man glotzen kann, muß man entweder die Wand anstarren oder seine Nachbarn ausspionieren, dachte sie.
    »Wissen Sie noch, welche Taxigesellschaft es war?«
    »Nein.«
    Stimmt nicht, dachte sie. Du weißt es ganz genau. Vielleicht sogar die Wagenmarke und das Kennzeichen. Aber du willst nicht, daß ich verstehe, was ich längst verstanden habe. Daß du deine Nachbarn ausspionierst.
    Dann hatte sie nur noch eins zu sagen.
    »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie uns informieren würden, sobald er wieder auftaucht.«
    »Was hat er denn gemacht?«
    »Absolut nichts. Wir müssen nur mit ihm sprechen.«
    »Worüber denn?«
    Seine Neugier kannte offenbar keine Grenzen. Sie schüttelte den Kopf. Er fragte nicht noch einmal. Aber sie sah, daß er gekränkt war. Als habe sie irgendwie gegen die Gesetze der Kollegialität verstoßen. Wieder im Präsidium, hatte sie Glück. Sie brauchte keine Viertelstunde, um die Taxigesellschaft und den Fahrer ausfindig zu machen, der an jenem Mittwoch eine Tour von der Snapphanegata gehabt hatte. Er fuhr beim Präsidium vor, und |328| sie setzte sich zu ihm auf den Beifahrersitz und redete mit ihm. Er hieß Östensson und war an die dreißig Jahre alt. Am Arm trug er eine Trauerbinde. Nachher war ihr klargeworden, daß es natürlich wegen Lundberg war.
    Sie hatte ihn nach der Fahrt gefragt. Er hatte ein gutes Gedächtnis. »Die Tour kam um kurz vor zwei. Der Name war Jonas.«
    »Kein Nachname?«
    »Ich dachte, es sei der Nachname. Heutzutage gibt es ja alle möglichen Namen.«
    »Und Sie hatten nur einen Fahrgast?«
    »Einen jungen Mann. Sehr

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