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Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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hatte. Jemand hatte gewußt, wo sich einer der Schwachpunkte der Stromversorgung befand. Wie weit die Technik auch fortschritt, es würde immer solche Schwachpunkte geben. Anfällige Knotenpunkte, wo die verschiedenen Ströme dessen, was alle für selbstverständlich hielten, plötzlich zum Stillstand gebracht werden konnten. Er dachte an die Zeichnung, die auf Falks Tisch neben dem Computer gelegen hatte. Sie hatte nicht zufällig dort gelegen. Ebensowenig, wie das Relais auf seiner Bahre zufällig gefunden worden war.
    Die Einsicht war spontan. Sie ergab nichts Neues. Aber plötzlich sah er mit aller Deutlichkeit, was zuvor vage und unklar war.
    Nichts von alldem, was geschehen war, beruhte auf Zufall. Die Zeichnung hatte dort gelegen, weil Tynnes Falk sie benutzt hatte. Das wiederum bedeutete, daß es kein Zufall war, daß Sonja Hökberg ausgerechnet in der Transformatorstation zu Tode gekommen war.
    Es handelt sich um eine Art Opfer, dachte er. In Falks geheimem Raum stand ein Altar. Mit Falks eigenem Gesicht als Götzenbild, das angebetet werden sollte. Sonja Hökberg war nicht nur getötet worden. Auf irgendeine Art und Weise war sie auch geopfert worden. Damit die Verwundbarkeit und der schwache Punkt aufgezeigt wurden. Man hatte Schonen eine Kapuze übergezogen und alles lahmgelegt.
    Der Gedanke ließ ihn erschauern. Das Gefühl, daß er und seine Kollegen in einem Vakuum herumtappten, verstärkte sich.
    Er betrachtete die Menschen, die zu dem Geldautomaten kamen. Wenn man die Stromversorgung lahmlegen kann, kann man bestimmt auch einen Geldautomaten lahmlegen, dachte er. Und |322| Gott weiß, was man sonst noch alles stillegen, umdirigieren oder ausschalten könnte. Flugüberwachungszentren und Stellwerke, Wasser- und Elektrizitätswerke. All dies kann geschehen. Unter einer Voraussetzung: Daß man den schwachen Punkt kennt.
    Er ging weiter. Die Buchhandlung war vergessen. Er kehrte ins Präsidium zurück. Irene wollte mit ihm sprechen, aber er winkte ab. Er warf die Jacke über seinen Besucherstuhl und zog, noch während er sich setzte, seinen Kollegblock heran. Während einiger intensiver Augenblicke ließ er alles noch einmal Revue passieren. Diesmal versuchte er, die Ereignisse aus einer völlig neuen Perspektive zu analysieren. Gab es Anhaltspunkte dafür, daß sich eine Form ausgeklügelter und gut geplanter Sabotage unter der Oberfläche verbarg? War Sabotage der feste Grund des Ganzen, nach dem er suchte? Er dachte wieder daran, daß Falk einmal wegen der Befreiung von Nerzen festgenommen worden war. Verdeckte diese Geschichte etwas, was eigentlich viel umfassender war? War es eine Vorübung für etwas, was erst noch kommen sollte?
    Als er den Stift hinwarf und sich zurücklehnte, war er keineswegs sicher, jetzt den Punkt gefunden zu haben, an dem sie den Durchbruch erzielen würden und von dem aus sie die Ermittlung endlich vorantreiben konnten. Aber er sah auf jeden Fall eine Möglichkeit. Auch wenn der Mord an Lundberg in dieser Deutung nicht vorkam. Damit hat es immerhin angefangen, dachte er. Kann es sein, daß etwas Unkontrollierbares zu geschehen begann? Etwas, was gar nicht geplant war? Was jedoch unmittelbare Maßnahmen erforderlich machte? Wir vermuten schon jetzt, daß Sonja Hökberg getötet wurde, damit sie etwas nicht ans Tageslicht bringen konnte. Und warum wurden Falk zwei Finger abgeschnitten? Weil etwas verdeckt werden sollte.
    Dann sah Wallander, daß es noch eine Möglichkeit gab. Wenn der Gedanke stimmte, daß Sonja Hökberg geopfert worden war, konnte es auch ein rituelles Motiv für Falks abgeschnittene Schreibfinger geben.
    Er fing noch einmal von vorne an. Was, wenn der Mord an Lundberg mit dem, was später geschah, gar nicht zusammenhing? Wenn Lundbergs Tod im Grunde genommen ein Irrtum war?
    |323| Nach einer weiteren halben Stunde verließ ihn die Zuversicht. Es war zu früh. Es paßte nicht zusammen.
    Dennoch kam es ihm so vor, als sei er ein Stück weitergekommen. Er hatte eingesehen, daß es mehr Möglichkeiten gab, die Ereignisse und ihr Verhältnis zueinander zu interpretieren, als er bisher geahnt hatte.
    Er wollte gerade zur Toilette gehen, als Ann-Britt an die Tür klopfte.
    Sie kam direkt zur Sache. »Du hattest recht«, sagte sie. »Sonja Hökberg hatte wirklich einen Freund.«
    »Wie heißt er?«
    »Wie er heißt, kann ich dir sagen. Aber nicht, wo er sich aufhält.«
    »Warum nicht?«
    »Er scheint verschwunden zu sein.«
    Wallander sah sie an. Dann ließ er

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